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Veith, Johann Emanuel Veith/Johann Emanucl
Mitmenschen, für sein Vaterland, für den
Ort, in dem er lebte und wirkte, war er
stets bis zum Aeußersten opferwillig, für
sich keine Bedürfnisse kennend, theilte er
noch entsagend seine wirkliche „Armut".
Indeß die Jahre verlangten ihren Tribut;
schon lange quälte ihn eine Verknöche
rung der Aorta auf das entsetzlichste,
aber er ertrug es mit stoischem Gleich
muthe; dann versagte ihm das eine
Auge die Dienste, nun gar das zweite;
ohne Klage fand er sich darein und con
ftruirte sich eine Schreibmaschine, be
gnügte sich mit Vorlesung des wichtigen
Neuen, mit Beschreibung und mit Be
tastung der Pflanzen, deren Eigenthüm-
lichkeiten er selbst bei neu hergebrachten
Arten mit Hilfe seiner gründlichen bota-
nischen Kenntnisse und seines riesigen Ge-
dächtnisses bald zu erkennen wußte; dann
nahm auch das Gehör ab, immer wenigere
seiner vertrauten Freunde konnten sich ihm
verständlich machen; doch er ertrug es mit
bewunderungswürdiger Ergebung. Nahe»
zu zwölf Jahre war er inner die vier
Mauern seiner Behausung gebannt, keine
Himmelsblaue erfreute mehr sein er»
storbenes Auge, kein Lerchensang, kein
, Glockenklang, erreichte mehr sein Ohr;
kein Sonnenstrahl erquickte mehr seine
erstarrenden, von Gicht gekrümmten
Glieder, aber seine Seele, erfüllt von
Glaubensmuth, blieb freudig, sein Herz
offen der Welt, sein Geist thätig bis zum
Ende. Eine ganze Reihe von Werken,
ernst und heiter, hatte er noch Jahr um
Jahr der Welt geschenkt, die flüchtigen
Stunden, welche ihm seine Leiden ließen,
zu tieferen Untersuchungen der höchsten
Glaubenswahrheiten, die schlimmeren
zur Umdichtung der ihm im Urtexte ge<
läusigen heiligen Gesänge — seine „100
Psalmen" — oder zu humoristischer Be-
Handlung von Zeitkrankheiten — „Stech- palmen" —verwendend. I n seiner letzten
Lebenszeit lag es ihm am Herzen, das-
„mißdeutete und mißhandelte" hohe Lied
Salomonis wieder zu Ehren zu bringen;
er schritt zu einer neuen Uebersetzung mit
eingehendem Commentar, und als er in
der Nacht vom 29. zum 30. October
nach Einstellung der todverkündenden
Athembeschwerden die Tröstungen der
Kirche empfangen hatte, klagte er nur,
daß er das hohe Lied nicht vollenden
könne. Am Allerheiligentage fühlte er
sich etwas erleichtert und raffte sich
wieder zum Arbeiten auf, indem er sagte:
„ich habe nicht recht gethan, von dem
Uebclsein Notiz zu nehmen, ich hatte
fortarbeiten sollen". Und wirklich schrieb
er noch, abn-die letzten Worte, welche
er niederschrieb, hießen: „am Ziele". Die
nun folgenden Nachte waren qualvoll;
Sonntags ließ er sich noch — der
89jährige im Sterben liegende Greis —
von der Debatte im Abgeordnetenhause
berichten, erkundigte sich theilnehmend um
treue Freunde, Montag Früh, bald nach
beendeter Morgenandacht, sagte er plotz»
lich: „Das ist das Sterben" (nach
Loewe: Das ist zum Sterben), sank hin
und athmete aus. Veith's Wirken war
allerhöchsten Ortes und in den Kreisen
seiner Mitbürger nicht ungewürdigt ge>
blieben. S^ine Majestät der Kaiser ver»
lieh ihm zum fünfzigjährigen Priester»
jubiläum das Comthurkreuz des Franz
Joseph »Ordens und ließ ihm noch
manche andere hochsinnige Aufmerksamkeit
zutheil werden; der Gemeinderath der
Residenzstadt Wien aber verlieh ihm das
Ehrenbürgerrecht und die große goldene
Salvatormedaille; Cardinal Schwarzen-
berg ernannte ihn 1846 zum Ehrendom-
Herrn des Domcapitels von Salzburg
und die Prager Universität ertheilte ihm
1848,. die Wiener theologische Facultät
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vastag-Villani, Band 50
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Vastag-Villani
- Band
- 50
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1884
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon