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Veith, Johann Emanuel 92 Johann Emanuel
Seite man das Leben betrachten möge. So
war der Schriftsteller, der Gelehrte, der
Lehrer! Wissens ei fe:-, Glaubenstrrue und
Menschenliebe, der vor dem Elende graut, in
das ein der Ideale beraubtes, materialistisch
gedrilltes Geschlecht unfehlbar geräth. erfüllen
idn ganz und charakterisiren damit auch den
selcrnen Menschen und Priester". -- Der
Wiener l>ulturdistoriker Friedrich Schlögl
schreibt wiederholt über den Homileten
Veith. Zwischen veioen Ultoeilen liegt ein
Zeitraum von nahezu zehn Iadren, lange
genug, um über eine vorgefaßte Meinung
selbst den S:ab zu buchen und stch selbst zu
corrigircn Bei einem Schriftsteller von
Schlögl's Beoeutunq erschein: uns aber
eine Wandlung im Urtheile über einen Men-
schen wic Veith von großer Wichtigkeit und
ebenso für die Charakteristik dieses Letzteren
ausschlaggebend als für den Charakter des
Ersteren ehrenvoll. Sein Unrecht einsehen ist
eben ein himmlisches Prärogativ des edlen Men-
schen. Ini „Neuen Wiener Tagblatt" schreibt
Schlögl unter der Chiffre F. 2. im Jahre
l869. als er das Thema der Wiener Fasten«
predigten und ihr Publicmn behandelt, unter
Anderem wörtlich.- „Zacharias Werner fand
bald eine Menge Nachahmer, die ihm jedoch
nickt bis an das Kniegelenk reichten. Selbst
der bedeutendste, der 1832 verstorbene Nutten»
stock, der bei St. Stephan predigte und
viel Zulauf fand, konnte ebenso wenig wie
Zccek (bei den Schotten) Werner aus der
Erinnerung verdrängen. Nur Veith, gleich«
falls ein Conuertit, ein Mann von univer«
saler Bildung, von durchdringendem Ver»
stände und umfassendem Wissen, ragte, ob»
wohl ihm nicht die mindesten äußerlichen
Mittel ;u Gebote standen, um auf seine Zu<
Hörer zu wirken, doch als geistiger Riese unter
den Kanzelpygmäen hervor und ergriff sein
Auditorium durch die Schärfe seiner Ge-
danken und die sieghafte Oewali einer uner«
oiiilicken Logik. Aber auch Veith kam mit
den Jahren auf Abwege. Die Reaction
gewann den s innigen Kopf und
feinen Denker, er wurde ihr ge»
treue st es Sprachrohr . D ie poli«
tischen Fastenpred ig ten, welche
cr vor ander tha lb Decennien in
der S t e v h a n s k i r ch
e, bei den Fran»
ciscanern und Capuc inern h ie l t
und die von Aus fä l l en auf d ie !
V ew egun gse p o
ch e und die P a r - ^
tei des For tschr i t tes strotzten,! sind ein t rau r iges Verm achtn iß
der einst igen Geistesgröße des
popu lä ren Mannes und zart»
füh lenden Ge lehr ten" . So schrieb
Schlög l im Jahre 1869. Nun, Pe i th
war nicht der Mann.- sich von der Reac-
t ion noch sonst von irgend Jemand, außer
von der Wahrheit beeinflussen oder gar ge-
winnen zu lassen. Dies mag denn auch der
wackere Schlögl eingesehen haben, denn sieben
und vierzehn Jahre später, 1876 und 1833 in
seinem prächtigen Buche „Wienerisches", wid-
met er Veith einen besonderen Abschnitt,
und das ist ein voller Hymnus, der das letzte
Driittheil des obigen Urtheils nicht ab-
schwächt, sondern geradezu vernichtet und der
Wahrheit die volle Ehre gibt. Daß uns doch
der Raum gestattet wäre diesen schönen
Essan Schlögl's hier wiederzugeben, aber
wir rönnen uns nur auf d e Hauptmoniente
beschränken, nur das auf das früdrre Urtheil
sich Veziehende hier mittheilen, im Uebrigen
aber auf das schöne Buch S ch l ö g l's und
diesen Veith betreffenden Essay insbesondere
verweisen. „Er war von mildem Geiste",
schreibt Sch lög l . „Gewiß! Und wenn er
sprach, so lauschte Alc und Jung seinen
sanften versöhnenden Worten, und namentlich
die Jugend fühlte sich- mächtig hingezogen zu
dem edlen Greise, der es wie Wenige ver-
stand,
sie zu erheben, zu begeistern, zu fesseln.
Die Studenten drängten sich förmlich um die
Kanzel, wenn es hieß, Ve i th werde pre-
digen, und die uon lebenslustigstem Uebennutb
Durchtobten blickten in Demuth und Ehr-
furcht empor, wenn seine Lippen sich be-
wegten Freilich hatte Ve i th mit seiner
„milden Gesinnung" und seinen „rein mensch-
lichen" Ansichten öfter auch — Malheur. So
ließ er sich einst von seinem überströmenden
Gefühle hinreißen, in einer Predigt öffentlich
die „kühne" Hypothese aufzustellen, daß der
Segen des Va te rs mehr werth sei als
— u, s. w. Seine geistliche Oberbehörde soll
ihm damals derlei „unkirchl iche" Aeuße«
rung^n strenge verwiesen und ibm sogar mit
dem Predigtuerbot gedroht haben. Ve i th ,
der „au fgek lär te Humanis t " , wie
man ihn allseits nannte (seine zelotischen
Gegner natürlich nur spottweise), l ieß sich
durch der le i Ordonnanzen nicht
einschüchtern und b l ieb bei seinen
Grundsätzen und Anschauungen,
die ihm sein Leben selbst ver-
schönten und ihm die Liebe und
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vastag-Villani, Band 50
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Vastag-Villani
- Band
- 50
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1884
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon