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) Johann Emanuel 93 Veith^ Johann Emanuel
Verehrung a l le r rechtl ichen M e n
schen e in t rugen. A ls die finsterste
Epoche über Oesterreich und spe-
c ie l l über W ien hereinbrach und
Ve i th den Cyc lus seiner b e r ü h m
ten „Fasten p red ig ten" eröf fnete,
da athmete jedes seiner W o r t e
doch den Geist der Versöhnung,
und Tausende schr i t ten getröstet
von der S t ä t t e der E rbauung .
Auch als Schriftsteller wirkte Ve i t h in
hochverdienstlicher Weise. Nebst seinen zahl»
reichen medizinischen Werken von bleibendem
Werthe haben sich auch seine ideologischen
„von un geheuchelter F r ö m m i g<
keit" durchwehten, wie seine schönwissen-
schaftlichen Schriften einen Ruf und einen
Nang errungen, welchen die servilen Pam-
phlete oder die von aberwitziger Bigotterie
durchtränkten Publicationen mehrerer seiner
lärmendsten Standrsgenossen — dem Himmel
sei Dank — wohl nie l-rl eicht haben. Als ihn
Schreiber dieses >(Schlögl) vor ein paar
Jahren das letzte Mal sprach, war es bei
einem hiesigen Antiquar, wo er eben eine
Serie römischer und griechischer Classiker aus<
wählte, die er als Weihnachtsgeschenk für
einen talentvollen Knaben bestimmte. „Nur
das Studium der Alten, führt zur wahren
Bildung und Gesittung", meinte Ve i th .
der ehemalige Reoemptorist und nachmalige
Weltpr.ester"." So schrieb Sch lög l im No»
vember 1875 und ändevte nichts daran, als
er es 1883 im Buche erscheinen ließ. — Und
noch eine Stimme läßt sich über Ve i th
vernehmen, «nicht aus der zünftigen Kritiker
Schaar, sondern von einem Weltkinde, dem
Feuilletonisten Bruno Walden der „Neuen
Freien Presse". „Eng befreundet mit Gün»
t h e r", schreibt Walden. „hatte Veith sich
dasselbe Ziel gesteckt wie dieser: die Verbin,
düng, Erläuterung. Ergänzung der Theologie
durch die Philosophie. Unter seinen Beiträgen
in der „Lydia" sind Juwelen von hohem
Werthe, die es wohl verdienten, von heut»
zutage nahezu unverständlichen Zeitbestim'
mungen losgelöst und in neuer Fassung zu»
ganglich gemacht zu werden. j^Warum denn
losgelöst und nicht lieber commentirt'^
Dieses selbe Streben, das sich wie ein rother
Faden durch alle seine Schriften zieht, machte
sich auch in seinen Predigten geltend, die trotz
ihres ernsten Charakters, il^res hohen Schwuw
ges die populärsten waren in Wien. Die
überfüllte Kirche wies stets ein seltsam ge« . mischtes Publicum auf: Männer der Wissen«
schaft, die hervorragendsten Kapacitäten und
auch wieder ein großes Cuntinzent schlichter
Gestalten, dic sich von den ersteren seltsam
abhoben. Allein so eigenartig waren die Vor»
trage Vei th 'ö, daß sie. welche dem Be«
deutendsten zu denken gaben, auch den Un»
gebildeten Genuß und Nutzen boten. Tarum
ist auch sein Name bekannt und geehrt in den
unteren Schichten des Volkes wie in der
Gelehrtenwelt. Nur beschränkte philisterhafte
Naturen fühlten sich manchmal befremdet
durch die eigenthümliche Art seines Vortrages,
die ihnen wie eine Mosaik oon Geschichten
und Anekdoten erschien. Sie wollten nicht
begreifen, daß diese Illustrationen, die durch
ihre treffenden Gleichnisse, ihre feine Ironie
die Gebildeten entzückten, für die ininoer
Denkkräftigen die Merksteine waren, an welche
sich die Idee heftete, die ihnen allmälig erst
zu Bewußtsein kam. Heute noch hört man
solch schlichte Leute „Geschichtchen" aus
Veith's Predigten wieder erzählen, und
stets haben sie ihre Nutzanwendung gefunden.
Diese sprudelnde Geistesfülle, unterstützt von
einem umfassenden, nahezu universellen Wissen
und glänzendem Gedächtnisse machte sich schon
in seiner Jugend geltend. Ein Beispiel davon:
Es hatte sich damals ein Verein junger Leute
gebildet, die es sich bei ihren geselligen Zu<
sammenkünfcen zum Gesetz gemacht, daß jeder
irgend etwaä — es brauchte nicht eigenes
Product zu sein — vorlesen müsse. Eines
Abends kam die Reihe an V e i t h ; er zog
ein Büchlein aus der Tasche und las einen,
ganz reizenden kleinen Aufsah, der Alle ent»
zückte. Nun ging es an ein Rachen, n^r der
Autor sei. Die Einen meinten, diese Gefühls»
wärme verrathe Jean Pau l ; ein Anderer
glaubte Hoffmann zu erkennen u. s. f. Doch
Veith schüttelte stets das Haupt. Endlich
entriß ihm einer der Anwesenden ungeduldig
das Büchlein und las.- „ Bertholt) Wal-
ding er über die Schafzucht". Veith hatte —
improvisirt. Derselbe köstliche Humor spricht
sich auch in seinen Humoresken aus. die leider
gänzlich vergriffen sind. In gleicher Weise ist
sein den Doctorcn Knoodt, Ninkens u'w
Linsen mann (eifrigen Vekämftfern der
Infallibilität) gewidmetes Werk „Stech«
palmen" gehalten. Unter diesen Erzählungen
ragt besonders eine, welche die Schopen-
hauer'sche und Hart m ann'sche Philosophie
ventilirt, durch sprudelnden Humor hervor.
Bis in sein hohes Alter blieb Ve i th thätig.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vastag-Villani, Band 50
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Vastag-Villani
- Band
- 50
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1884
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon