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Verhovay 424 Verhovay
Journale einen neuen Scandal, welchen
Verhovay im eigenen Lager provocirt
hatte. Zwischen ihm und Bartok, dem
Redacteur eines Pesther Witzblattes der
äußersten Linken, also der eigenen Partei,
bestand seit Nocken eine Polemik, welche
Mitte August 4880 ihren Höhepunkt
erreichte. Beide beschimpften einander in
ihren Blättern maßlos. Besonders hart
kam Bartok davon. Verhovay ver»
weigerte ein Duell. I n Folge dessen siel
Ersterer am 10. August Letzteren auf
offener Straße an und scblug den ohnehin
Kränklichen dermaßen, daß derselbe in
sehr gefahrlichem Zustande ins Spital
gebracht werden mußte. — Das neueste
Lebenszeichen, welches Verhovay von
sich gab, war die Sprengung einer Wahl»
Versammlung am 13. März i884 in Sze-
gedin, welche die Abgeordneten Ugron,
Hozedon und Hermann einberufen
hatten. Verhovay's Anhänger erregten
einen Tumult, Ugron ward verwundet
und Militärhilfe requirirt. Die Aufregung,
begleitet von bedauernswürdigen Aus-
schreitungen dauerte mehrere Tage. Im
Vorstehenden wurden die Zustände in der
magyarischen Hauptstadt geschildert, in
welche nach des großen Maklers Recept
der Schwerpunkt des österreichischen
Kaiserstaates verlegt werden soll!! Die
öffentliche Meinung glossirte oder apo»
strophirte dieselben in folgender Weise:
„Die verrotteten und unglückseligen Zu>
stände in Ungarn und Vorschläge zu ihrer
Sanirung bilden tagtäglich den Gegen»
stand von Besprechungen in der cis» und
transleithanischen Presse. Daß etwas ge>
schehen muffe, wird allseitig anerkannt.
Nichts kennzeichne drastischer den trüb»
seligen Niedergang alles geistigen, fitt»
lichen und politischen Lebens in Ungarn,
als die Rolle, welche Verhovay und
der ganze Typus, den er repräsentirt, in diesem Lande gespielt. Verhovay ist
der Typus eines radicalen Journalisten:
immer extrem in seinen Ansichten, appel-
lirt er stets an die Leidenschaften und ist
mit sich nur dann zufrieden, wenn er im
Stande gewesen, die öffentliche Meinung
gehörig aufzuregen. Ohne Bildung, ohne
Wissen, ohne Kenntniß von Welt und
! Leben, ohne besonderes Talent, ohne
i eigenen sittlichen Gehalt, aber immer das
! leuchtende Schild der Sittlichkeit als
! Oriftamme vor sich tragend, um den
! eigenen schmutzigen Egoismus durck ihr
Licht überstrahlen zu lassen, hat er es leider
^ zuwege gebracht, eine Art Terrorismus
^ über das ganze öffentliche Leben geltend
! zu machen, gegen welchen Niemand an-
! Mampfen wagte. Die Wahlen in den
! Reichstag verschlingen enorme Summen,
^ und da die Mandate nur in einem be-
! stimmten engen Kreise der mittleren
! Claffe sozusagen von Hand zu Hand
gehen, so sind die kleinen Grundbesitzer,
Advocaten und Industriellen, die sich an
das Mandat herandrängten, materiell zu
Grunde gegangen. Die schlechten Ernten
einiger Jahre und die verschiedenen
Krisen, die über das Land kamen, voll-
endeten den Ruin, und es entstand in
den Kreisen, welche die Politik zu leiten
haben, jener Pauperismus, von welchem
Szöchönyi sagte: dieser allein könne
die Ursache des Unterganges der ungari-
schen Nation werden. Nun seien die
Dinge in der That dahin gediehen, daß
es sehr wenige integre materielle Exi>
stenzen im Lande gebe. Mit dem ab«
nehmenden Wohlstande habe aber auch
die bessere Gesinnung und die Scheu vor
sinanciellen Geschäften abgenommen, und
es gebe nur wenige Männer im Reichs'
tage und außerhalb desselben, die vor
einander nicht gegenseitig etwas zu ver»
I heimlichen hatten. Die radicale Partei
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vastag-Villani, Band 50
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Vastag-Villani
- Band
- 50
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1884
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon