Seite - 143 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Villata-Vrbna, Band 51
Bild der Seite - 143 -
Text der Seite - 143 -
Vörösmarty 143 Vörösmarty
geordneten gewählt zu werden. Er wollte
keine Rolle spielen, betrachtete aber das
Vertrauen seiner Mitbürger als den
Lohn für seine patriotische Dichtung.
Sein Wunsch ging in Erfüllung. Am
19. Juni wurde er zu Iankovacz im
Almäser Bezirke des Bäcs-Bodroger
Comitates einstimmig zum Abgeordneten
.ausgerufen an der Stelle Kossuth's,
nachdem dieser auck in Pesth ein Mandat
'erhalten hatte. Vörösmarty war das
schweigsamste Mitglied des Parlaments.
Kein oratorisches Talent, pflegte er nur
im Club oder in der Akademie Reden zu
halten. Aber trotz seiner bescheidenen
Zurückgezogenheit konnte er einem An-
griffe der neuen Opposition nickt ent-
gehen. Der Kriegsminister, General M v-
szäros, hatte einen Gesetzentwurf ein-
gebracht, nach welchem er die zu ergän»
zenden Regimenter, sobald die Verhält-
nisse es gestatten würden, auf ungari»
schen Fuß einzurichten, bis dahin aber in
ihrem früheren Zustande, unter ihren bis»
.herigen Offizieren und unter deutsche m
Commando zu belassen gedachte; nur die
neu zu errichtenden Honv^d^Regimenter
sollten sofort ganz auf ungarischen Fuß
hergestellt werden. Die Opposition griff
diesen Gesetzentwurf heftig an, verlangte
ungarisches Commando, mißtraute den
früheren Officieren und drang auf eine
vollständige Umgestaltung der Armee.
Das Ministerium hielt diese Forderung
während des Krieges für unausführbar
And lehnte die Verantwortlichkeit dafür
ab. Der Reichstag nahm daher den
Gesetzentwurf fam 2i . August) an, und
auch Vörösmarty hatte mit der Ma«
jorität gestimmt, obwohl, wie er selbst
eingestand, nicht ohne Schwanken. Nun
war es um den Poeten geschehen.
Petöf i , wahrscheinlich zum Danke, daß
Vörösmarty es war, der ihn in die Literatur einführte und unterstützte
Mand XXII , Seite 86), veröffentlichte
in Folge dieses Votums gegen den-
selben ein Gedicht mit dem Refrain:
„Nicht ich riß dir den Lorber von der
Stirne, nur du allein rissest dir ihn
herab". Daraus entstand zwischen den
zwei Dichtern eine Polemik, die selbst in
jener geräuschvollen Zeit Aufmerksamkeit
i erregte. Aber der Lorber blieb auf dem
Haupte des Poeten. Vörösmarty
folgte dem Reichstage auf dessen Waw
derungen, und nacb der Katastrophe bei
Vilägos flüchtete er zugleich mit Bajz a
sBd. I, S. 127^ in das Szathmärer
Comitat. Vier Monate irrten beide
Poeten in diesem entlegenen Comitate
umher. Ueberall fanden sie gastliche Zu-
flucht' ein Gutsbesitzer schickte sie dem
anderen zu, bis die Verfolger die Spur
der Flüchtlinge verloren. Es kam auch
! vor, daß die Poeten unter freiem Himmel
schliefen, einige Male mußten sie sich
auch in Waldhütten verbergen, und cm
der Thür einer solchen waren noch lange
die Worte Virgi l 's zu lesen: «A'o«
Mti'iH'm t'uAilnnH", lveicke V ö r ö s»
marty mit Bleistift hingeschrieben hatte.
I n dieser kummer- und drangsalvollen
Zeit erfuhr unser Dichter, daß eines
seiner Töchterchen gestorben. Zu seinem
Seelenschmerze gesellte sich nun auch kör-
perliches Leiden. Er litt an Störungen
der Blutcirculation, und zwar in Folge
der Strapazen und der ungeordneten
Lebensweise. Kertbeny schreibt sogar:
„Vörösmarty hatte nickt einmal eine
Schreibfeder mehr im Hause, Vergessen-
heit im Blut der Reben suchend". Als
der Dichter Anfangs 4830 nach Fegy»
vernek kam, um mit seiner Gattin zu-
sammenzutreffen, war er beinahe ganz
grau und sehr zusammengebrochen. Auf
den Rath seiner Freunde ging er nach
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Villata-Vrbna, Band 51
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Villata-Vrbna
- Band
- 51
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 350
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon