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144 Vörösmartn
Pefth und meldete sich beim Militär-
gerichte, dessen Strenge bereits nachzu-
lassen begann. Man verhörte ihn und
ließ ihn bis zur Urtheilsfallung frei. Im
Sommer 183t) wurde er von Haynau
begnadigt. Von da ab bis zum Früh-
linge 1833 lebte er in Bazacska, bis zum
Herbste 1833 aber in seinem Geburtsorte
Nyek als Pachter. Diese fünf Jahre
seines Lebens waren nur ein langsames
Sterben. Bei seinem körperlichen Siech»
thum verfiel er auch in Melancholie und
Apathie, deren Spuren sich bereits 1849
in Debreczin gezeigt hatten und wohl
nur Symptome seines inneren Leidens
waren. Trotzdem beendete er die 1847
begonnene und dann durch die Zeitereig-
nisse unterbrochene Uebersetzung des
„König Lear", schuf auch noch 1834
einige Gedichte, darunter den „alten
Zigeuner" ssiehe unter: Deutsche Ueber»
setzungen der Gedichte Vörösmarty's^.
Von dem damals ausgebrochenen russisch»
türkischen Kriege glaubte er, daß derselbe
auf das Schicksal Ungarns von gün»
stigem Einfluß sein werde. Sein Dichter»
ge!st stammte noch einmal kraftvoll auf.
Da er nicht zu seiner Nation sprechen
konnte, so apoftrophirte er sich selbst' er,
der alternde Dichter, ist der „alte Zigeu»
ner", dem er zuruft, daß „die Welt noch
einmal ein Fest feiern werde". Indessen
nahm Vörösmarty's Krankheit immer
mehr zu, und gegen Ende October 1833
traten besorgnißerregende Erscheinungen
ein. Starke Anfalle nöthigten ihn, ein
paar Wochen das Bett zu hüten. Er
glaubte nicht, wieder aufstehen zu können,
und sagte zu seiner in Thränen auf-
gelösten Gattin wiederholt: „Ich weiß
nicht, wie es euch ergehen wird, aber
möge euch was immer zustoßen, so
wendet euch an Franz Deäk, er wird
euch nicht verlassen!" Er erholte sich auch z und beschloß auf das Zureden seiner
Gattin, ganzlich nach Pefth zu über-
siedeln, wo er. fortwährend arztliche
Hilfe haben konnte. Die ganze Familie
zog nun nach Pesth und stieg im Gast.
Hofe „zum goldenen Adler" ab, bis eine
Wohnung gefunden sein würde. Vörös-
marty befand sich etwas wohler. I n
der Gesellschaft seiner Freunde, darunter
Franz Deä.k, die ihn oft besuchten,
schien er sich etwas aufzuheitern. Am
17. November bezog die Familie eine
Wohnung im Kappel'schen Hause in
der Waitznergafse, in demselben, in
welchem vor fünfundzwanzig Jahren
Karl Kisfaludy gestorben war. Vö-
rösmarty ging zu Fuß, er erkannte
das Haus, in welchem sein Freund ge-
storben, doch ahnte er nicht, daß er
selbst an der Schwelle des Todes stehe.
Kaum war er einige Treppen hinan»
gestiegen, als er zusammensank. Ein
Hirnschlag hatte ihn getroffen. Man
trug ihn hinauf, legte ihn ins Bett, und
er kam nicht mehr zur Besinnung bis zu
seinem Tode, der am 19. November Mit«
tags um ein Uhr erfolgte. Eine Ueber»
lieferung erzählt, daß derselbe zu gleicher
Zeit eingetreten sei, als in der neu«
erbauten Basilika zu Gran die eben ein-
geweihte Glocke zum ersten Male geläutet
wurde. Wenn nicht wahr, so doch sinnig
erfunden. Sein Leichenbegängniß fand
am 21. November 1833 unter ungewöhn-
lich zahlreichem Geleite statt. Wohl über
zwanzigtausend Menschen und eine unab«
sehbare Reihe von Wagen folgten dem
Sarge. Die Bevölkerung Pesths erwies
so seinem großen Dichter die verdiente
letzte Ehre. Die Journale erschienen mit
einem Trauerrande; daß dagegen die
Behörden einschritten, ist eine Behaup»
tung der Radicalen, welche des Beweises
entbehrt. Doch auch noch in anderer
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Villata-Vrbna, Band 51
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Villata-Vrbna
- Band
- 51
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 350
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon