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Vogt, Johann Michael 27 176 Vogt, Johann Michael 27
bahn und Leistungen haben wir schon be.
richtet. Noch Einiges und nicht Unwe-
sentliches bleibt über Vogl den Men-
schen zu sagen, der nicht von der Art
Anderer, sondern vielmehr ein Sonden
ling war, der überdies dadurch, daß er
der Bühne angehörte und eine klösterliche,
dabei aber gründliche Ausbildung er»
halten hatte, ein ganz eigenartiges Ge»
präge zur Schau trug. was wohl Anlaß
gab zu dem öfter abfälligen, indeß nichts
weniger als gerechten Urtheile, das
Manche über ihn fällten. Seiner äußeren
Erscheinung nach war Vogl eine impo-
sante, kräftige Persönlichkeit, mit aus-
drucksvoller Miene und freiem edlen
Anstande. Dabei aber erschienen die Be-
wegungen der Hände und Füße nicht
immer als die anmuthigsten, auch war
hie und da eine Stellung, z. B. in einer
griechischen Heldenrolle, etwas zu sichtlich
der Antike entnommen. Im Gesänge ver»
folgte er mit strenger Consequenz und
mit vollem Bewußtsein den einzig rich-
tigen Weg der echt dramatischen Gesangs-
kunst. Er besaß ein feines Ohr für den
Rhythmus der Verse und hatte das seit«
dem, allem Anscheine nach, verloren
gegangene Geheimniß des recitativen
Vortrages vollkommen inne. Auch die
Gesetze der Harmonie waren ihm nicht
fremd. In der Darstellung des Charak«
teristischen, in der künstlerischen Verbin»
düng der Wahrheit mit der Schönheit,
Meister, fand er auch nur Freude an
Rollen, die es ihm möglich machten,
einen entschiedenen Charakter darzu»
stellen, während ihm z. B. die Neben»
gestalten der modernen italienischen Oper
geradezu ein Gräuel waren. Man
brauchte Vogl nur in einer einzigen
Rolle zu sehen, um sofort zu erkennen,
daß er nicht ein gewöhnlicher Mensch sei.
Seine künstlerische Ausbildung sowohl als Sänger wie als Darsteller erlangte
er größtentheils durch sich selbst. Die
klösterliche Erziehung aber, welche er in,
seiner Jugend eine Reihe von Jahren
hindurch genoffen, hatte nicht geringen
Einfluß auf seinen Charakter geübt, eine
gewisse, schon in den Keimen seines
Wesens gelegene Beschaulichkeit genährt
und gepflegt und so den sonderbarsten
Contrast mit seinem Stande und seinen
äußeren Verhältnissen gebildet. Der
Grundton seines Inneren war eine
moralische Skepsis, ein grübelndes Zer»
gliedern seines Selbst, so wie der Welt;
der Trieb, von Tag zu Tag besser, voll»
kommener zu werden, verfolgte ihn durch
sein ganzes Leben. Wenn ihn die Leiden»
schaft, wie alle kräftigen reizbaren Na»
turen, zu gefährlichen, ja frevelhaften
Schritten hinriß, so ward er nicht müde,
sich darüber selbst anzuklagen, zu zwei.
feln, zu verzweifeln; ein neuer Fehltritt
— neue Vorwürfe, Zerknirschung, Ge»
wissensbisse. Lecture und Studium stan>
den natürlich mit dieser Lebensrichtung,
im innigsten Zusammenhange. Das alte
und neue Testament, die Evangelien, die
Stoiker, Marc Aurel's „Betrachtun-
gen" und Eviktet's „Enchiridion",
Thomas a Kempis, Tauler hatte
Vogl zu steten Begleitern und Rath»
gebern seines Lebensganges gewählt.
Das Buch „Von der Nachfolge Christi"
übersehte er und ließ diese Arbeit in Ab»
schriften unter ähnlich gesinnten Freun-
den vertheilen. Ein Werk von Epiktet
hatte er eigenhändig in vier Sprachen —
griechisch, lateinisch, englisch und deutsch
— copirt. Doch glaube man nicht, daß
erst der lebensmüde Greis zu solcherlei
Art von Tröstung seine Zuflucht nahm;
der religiös'philosophische Faden spann
sich im Kloster an und zog sich durch
Vogl's ganzes Leben ununterbrochen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Villata-Vrbna, Band 51
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Villata-Vrbna
- Band
- 51
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 350
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon