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Vogt, Johann Nepomuk 29 189 ^ Johann Nepomuk 29
wärme trifft Vogl'ö unzweifelhafte Bega«
bung; auch in den „Balladen" finden sich
glückliche Schilderungen und ansprechende
Weisen; aber das geistige Terrain seiner
Poesie ist so tief gelegen, daß die Becgluft
des idealen Gedankens nie befreiend darüber
hinstreicht". — Hieronymus Lorm über
Job. Nep. Vogl . Er nennt ihn einen der
populärsten Dichter — in Oesterreich. Wie
sollte er auch nicht, erscheint doch keine noch
so schlechte Zeitung, kein noch so unbedeuten-
der Almanach, ohne eine Ballade oder ein
Lied oder eine Legende von Johann Nep.
Vogl zu bringen. „Vogl 's Verse sind ein«
fach und melodisch und nicht allzu sehr ge>
dankenhaft, die Compositeure bemächtigen sich
ihrer und an der Seite der Frau Mufica
zog I . N. Vogl in den glänzenden Salon
und in die Hütte ein und wurde am Clavier
wie am Schenktisch heimisch. Man könnte ihn
einen der besten Schüler Nhland's nennen.
Aber die Leichtigkeit des Verseschreibens ver-
leitet ihn zur schockweisen Verfertigung von
Gedichten und er übervölkert förmlich Bücher,
Almanache. Journale mit seinen Liedern und
Balladen, da kann es dann natürlich nicht
fehlen, daß unter den schönen Blumen auch
viel Unkraut aufwuchert. und daß es unter
seinen zahlreichen Kindern auch sehr viele
ungeraihene gibt". — Wolfgang Menzel
schreibt über Vog l : „Wir haben zwar schon
mehr als einen Nomanzenmacher von Pro»
fcssion, doch eignet sich unter allen Dichtungs«
arten die Romanze gerade am wenigsten,
um über den Leisten geschlagen zu werden.
Ihr Stoff ist die Volkssage, selbst ihre Form
war ursprünglich das Volkslied, und den
Volksion dürfen sie auch in der künstlichsten
Aufpußung nicht entbehren; aber dieser Volks-
ion ist leicht zu äffen, schwer zu treffen. Mit
einem naiven Eingänge: „Es war einmal"
oder „Zu Straßburg über die Brücke,
da ging ein Mägdelein" oder „Das
war der alte Ri t ter , der hob den
Becher auf" oder „Saßen zusammen
Katz' und Eul ' . machten ein jämmer-
lich Geheul!" . . . ist's nicht gethan. Der'
gleichen kleine Kunstgriffe, durch eine kindische
^onstruction, durch eine üffectirie Nachlässig»
t'cit Eigenthümlichkeit zu erheucheln, sind zwar
bald erlernt, aber das macht noch keine gute
Romanze. Die armen Dichter täuschen sich.
Indem sie die Sache recht praktisch anzu«
fangen glauben, fallen sie gerade in die dicksten
Fehler. Die Probe einer echten Romanze ist nämlich, daß sie auch nicht im Geringsten
assectirt erscheine, es ist die siegreiche Be,
scheidenheit und Simplicität eines schönen
jungen Mädchens aus dem Gebirge und
beileibe nicht das ä. la Gurli Kindischthun
einer alten städtischen Coquette. Die zweite
Probe liegt im Stoff. Eine gute Romanze
muß Gegenstand eines Volksliedes sein
können, gesetzt auch, sie wäre nur ein Er«
zeugniß der gelehrten Schreibstube unserer
vornehmen Poeten. Was nicht im Munde
des Volkes sich fortpflanzen könnte, wäre
auch keine gute Romanze. Eine dritte Probe
bietet der Dichter selbst dar. Ist er ein echter
Dichter, so wird er nur die Sagen eines, und
zwar nur seines Volkes besingen. Sobald er
auch fremde Sagen und wohl gar in fremden
Weisen vorbringt, und die Romanzen feil»
bietet, wie neapolitanische, dänische. Pariser
und einheimische Handschuhe, werden wir auch
schon seinem Berufe, welche zu machen, nicht
mehr trauen. An diesem Maßstab gemessen,
müssen die Romanzen des Herrn Vogl viel
von dem Anspruch, den sie machen, fallen
lassen. Sie sind nämlich ziemlich assectirt, sie
behandeln nicht durchaus volksihümliche Stoffe,
und sie schweifen in allen Ländern umher.
Als ihr Hauptgebrechen möchte ich die Sen»
timentalität bezeichnen. Je mebr die Roman«
zen uns rühren sollen, desto weniger dürfen
die Dichter selbst gerührt srin. Die Sache
muß uns rühren, nicht der rührende Bei«
satz. nicht die kläglichen Beiwörter; diese
sind überall in der Poesie, aber zumal bei
der Romanze überflüssig und von Uebel. Am
unangenehmsten ist mir aber immer bei Ro»
manzen, worin großartige Thaten besungen
werden, die schwülstige Sprache aufgefallen.
Die alten Volksweisen sind gerade dadurch
so herrlich und herzgewinnend, daß in ihnen
die größte That, die edelste Tugend in der
einfachsten, bescheidensten Sprache ohne
allen prahlerischen Beisah geschildert wird,
z. B.: Prinz Eugen der edle Ritter. Wollt'
dem Kaiser wieo'rum liefern Stadt und
Festung Belgerad". Im weiteren Verlaufe
der Besprechung der Dichtungen H o gl's wird
dessen Schwulst, viel sagen wollender und
doch nichts sagender Wortschwall, und die
Abgeschmacktheit und Abscheulichkeit der Verse,
mit denen hübsche Stosse entstellt werden,
gerügt. — Seidlitz über I . N. Vogl.
Er nennt ihn den Vater, den Schöpfer der
Repräsentanten der echt österreichischen
Ballade." Der Grundton, welcher durch
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Villata-Vrbna, Band 51
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Villata-Vrbna
- Band
- 51
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 350
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon