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Wagner, Joseph 24 103 Wagner, Joseph 24
welche Wagner in Berlin in hochtragi-
schen Rollen hervorbrachte, so stieß er
denn doch in dieser Stadt, wo eine zer-
setzende Kritik schon manchem Künstler
das Schaffen verleidet hat, auf manches
abträgliche Urtheil. Es ist nicht unsere
Sacke, zu untersuchen, ob dasselbe be-
gründet gewesen, gewiß ist es, daß dem
in Wien geborenen und großgezogenen
Wagner trotz des lebenslänglichen En-
gagements das ästhelische Spreeathen auf
die Dauer nicht zusagte. Nachdem er
trotz alledem zwei Jahre die größten und
schwierigsten Rollen mit entschiedenem
Glück in Berlin dargestellt hitte, nahm
er dock, als ihm 1830 wiederholt ein
Engagement an der Wiener Hofdühne
angetragen wurde, dasselbe an, denn
erstens sah er nun seinen Wunsch erfüllt,
künstlerisch in seiner Vaterstadt zu wirken,
dann aber war diess Anstellung für ihn
wie für seine Frau — er hatte 1849
Bertha IInzel m ann zum Altar geführt
— auf Lebenszeit mit großer Gage und
Pension verbunden. Noch im nämlicken
Jahre trat er unter Laube's Leitung,
durck dessen Vermittlung er eben sein
Engagement erhalten hatte, seine neue
Stellung in Wien an. Nun, es leben
gewiß noch Leute genug, denen Wag»
ner's Triumphe als Hamlet , als
Romeo, als Leander in Gri l l -
parzer'6 „Des Meeres und der Liebe
Wellen" in der Erinnerung sind; bisher
ist kein Anderer erschienen, der es ihm
gleich gethan hätte, vielleicht noch im
Spiele, sicher nickt in der äußeren Er
scheinnng. Wagner wirkte in seiner
Stellung am Wienec Burgtheater bis an
sein Lebensende, das im Sommer 1870
eintrat; seine erste Gattin war schon am
21. November 18.14 zum letzten Male
aufgetreten und am 7. März 1838 ihrem
Leiden erlegen. Nur einmal blieb er für längere Zeit von der Bühne fern, und
eigenthümlich fügte es sich, daß er. bald
nach dem Ausscheiden Laube's, und
wenige Wochen, nachdem er nach Beck-
mann's Tode das Amt des Regisseurs
übernommen hatte, in schwerem Siech-
thum zusammenbrach und erst nach zwei-
jähriger Krankheit die Bühne wieder be-
trat; freilich nicht mehr als der hin-
reißende Darsteller von ehedem, sondern
als ein gebrochener Mann, bei dem
das letzte Aufflackern des verlöschenden
Lichtes, ein trügerisches Alpenglühen,
nur Wehmuth im Publicum erregte über
das Einst und Jetzt des so geliebten
Künstlers. Als Wilhelm Tell trat er
damals — es war am 27. October 1869
— wieder auf, die Gestalt erschien noch
fest, wie aus einem Gefüge, das Haupt
saß auch noch ungebeugt anf seinem
Rumpfe, aber schon hatte der mahnende
Finger des Todes tiefe Furchen in
sein Angesicht gegraben. Einundzwanzig
Male noch erschien er danach auf der
Bühne des Burgtheaters, bis er am
4. April 1870 auf Nimmerwiedersehen von
ihr scheiden sollte. Er fühlte sich an diesem
Abend schon unwohl und heiser, spielte
aber dennoch und machte am anderen
Tage, trotz alles Abrathens der Familie,
in einer durch seine krankhafte Nervosität
bedingten Hartnäckigkeit einen Ausflug
nach Hütteldorf. Krank kehrte er heim.
Nun verließ er nicht mehr das Kranken-
lager, zur anfänglichen Rippenfcllentzün-
düng gesellte sich noch ein acutes Lungen»
leiden, und am 3. Juni 1870, es war
ein Sonntag, entschlief er um V ^ ^ ^
Morgens, nachdem er noch kurz vorher
mit seiner Frau gesprochen, ohne daß ihn
eine Ahnung seines bedenklichen Zustan»
des überkommen hätte. Die letzten Worte,
die er auf der Bühne gesprochen: ,,I ede
weitere Roll? wird mir leicht
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vrčevic-Wallner, Band 52
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Vrčevic-Wallner
- Band
- 52
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 342
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon