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^ Ferdinand Georg 193 Waldmülier, Ferdinand Georg
deren Erfolg er freilich selbst als glän
zendes Beispiel dastand. Aber diese
Schrift fand ihre Widersacher, und Ent-
gegnungen darauf blieben nicht aus;
man nannte sie boshaft genug „eine
theoretische Verirrung". Die Entgeg-
nungen waren nicht minder einseitig aus>
gefallen und nicht weniger theoretische
Verirrungen. Im Jahre 4837 ließ dann
unser Maler eine zweite Broschüre unter
dem Titel: „Andeutungen zur Hebung
der vaterländischen Kunst" folgen, welche
manches Beachtenswerthe enthält. Man
liebte es einige Zeit lang Waldmül ler
und Rahl als Vertreter zweier ganz be-
sonderer Richtungen in Oesterreich nicht
gegenüber, sondern nebeneinander zu
stellen und hat darin Recht getban.
Beide, so total verschiedene Naturen,
traten doch als gleich heiße Streiter für
ihr Recht und ihre Ueberzeugung ein,
und wenn Rahl größer dachte, so war
Waldmül ler um so origineller, wahrer
und mannigfaltiger, und ein Biograph
des Letzteren geht so weit, zu sagen:
„Die Werthschätzung der Werke Wald-
müller's wird die Rahl's überdauern,
weil erstere dem menschlichen Herzen
näher liegen". I n der That zeigte es
sich auch nach dem Tode des Künstlers,
wie hoch man die Schöpfungen desselben
hielt, denn nicht nur veranstalteten einige
seiner Freunde und Schüler, und zwar
die Maler Fe l i r , F r i e d l ä n d e r,
Schams, Re i t ho f f e r , eine Aus-
stellung seiner Werke, welche für Wochen
den Gegenstand der Kunstkritik bildeten
und nun wärmer und wahrer beurtheilt
wurden, als zur Zeit, da der noch lebende
Künstler dem Publicum sie vorführte',
cs kamen sogar Aufträge aus weiter
Fremde. So wünschten hohe Person-
lichkeiten der russischen Hauptstadt, be-
deutendere noch unverkaufte Werke des
u. Wurzbach. biogr. Lenkon. ^ 1 . l^Gedr. Künstlere zu erwerben, und es wurde der
russische Hofmaler Michael von Zichy
von St. Petersburg nach Wien geschickt,
um die betreffenden Ankäufe zu machen.
Wald müller's Künstlerschaft war in
seltenem Grade vielseitig, denn er malte
Bildnisse, Blumen und Fruchtstücke,
Landschaften, Stillleben, Historien- und
Genrebilder, ja selbst Decoratwnen. Doch
der eigentliche und in dem Kreise, in
welchem er sich bewegte, heute noch
unübertroffene Meister ist er im Genre«
bilde, in welchem wir Züge niedergelegt
finden, die von der eigenthümlichen
Gemüthsanlage des österreichischen Vol-
kes noch nach Jahrhunderten ein beredtes
Zeugniß ablegen werden. Für Empfin-
dungen des Seelenlebens, die aus der
unteren Volksschichte emporkommen,
hatte er fast ein ebenso feines Gefühl
wie Danhauser M . I I I , S. 433^
für die Erscheinungen des höheren Bür-
gerstandes. Waldmüller's Technik
war sein eigenes Werk, nicht musterhaft
in jeder Beziehung, nicht zu allen Zeiten
gleich, aber immer originell und conse-
quent. Ferner zeichnete er sich als
Künstler besonders durch seine ungeheure
Thätigkeit, durch die Unverdroffenheit in
der Arbeit aus. Ihm war das Künstler'
thum nicht Amt und Geschäft, sondern
innerer Lebensberuf. Ein ruheloser Zug
geht durch seine ganze künstlerische Thä»
tigkeit. ,Als ein Verdienst Waldmül-
ler's muß auch hervorgehoben werden,
daß er gleich Amerl ing, Ginsle
und später Rahl zu denjenigen Kunst»
lern gehörte, welche das für Wien so
nützliche Institut der Pr ivat -Mal er-
ateliers in das Leben eingeführt haben.
Das Waldmüller'sche Atelier wurde
von vielen jungen Malern, wir nennen
nur beispielsweise Friedl ander, Löff-
lec, Zichy, mit Nutzen besucht. Als
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vrčevic-Wallner, Band 52
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Vrčevic-Wallner
- Band
- 52
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 342
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon