Seite - 222 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Wallnöfer-Weigelsperg, Band 53
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Webercus 222 Mebercus
nitz, nieder«, aber glücklicher Weise nicht
todtgeschlagen. Als er den Schrecken all»
seits sah, den er hervorgebracht hatte,
benutzte er, nichts Gutes ahnend, die
allgemeine Verwirrung, verließ im Ge-
tümmel seinen Standplatz und ergriff
sofort die Flucht, auf welcher er nach
Erlangen kam. Auch da gerieth er in
Streit, tödtete einen Edelmann im Duell
und floh nach Halle. Daselbst langte er
gerade an, als die Schusterzunft ihr
Iahresfest beging, welches in einem
maskirten Umzug seinen Glanzpunkt
hatte. Da in diesem Umzug auch der
lange h. Christoph vorkam, übertrug man
die Rolle desselben dem Riesen Weber-
cus, welcher sie mit solchem Nachdruck
spielte, daß ihm zuletzt im Zustande
voller Trunkenheit alle Sinne schwan«
den. Als sein Bewußtsein zurückkehrte,
befand er sich in einem Thurmgefängniß
auf dem Schlosse Gibichenstein. Seine
Kleider lagen bei ihm, aber seine Bar»
schaft, darunter 300 türkische Goldstücke,
war verschwunden. Preußische Werber
des Königs Friedrich Wilhelm I.,
welcher, wie bekannt, die berühmte
Riesengarde in Berlin besaß und nach
Leuten für dieselbe aller Orten fahnden
ließ, hatten den Trunkenen aufgefunden,
und da ihnen der Riese als eine ganz
willkommene Beute für das Corps ihres
Königs erschien, ihn in seinem bewußt»
losen Zustande in ihre Gewalt gebracht.
I m geschlossenen, strenge bewachten
Wagen führten sie ihn nach Berlin, wo
er dem Könige vorgestellt wurde, der ihn
über Herkunft und Vorleben befragte.
Webercus antwortete freimüthig und
erzählte auch, daß ihm sein Geld ge>
stöhlen worden sei. Ungeachtet der hohen
Anbote, welche ihm für den Eintritt in
die Riesengarde gemacht wurden, wei>
' gerte er, alle ablehnend, sich entschieden, I in dieselbe zu treten. Die Untersuchung
wegen des gestohlenen Goldes ließ der
König einleiten. Da der Dieb nur unter
den Werbern, welche sich seiner bemäch-
tigt hatten, zu finden sein konnte, ward
unter ihnen Nachsuchung gehalten und
auch bei ewem derselben das gestohlene
Gold gefunden. Der Dieb wurde zum
Galgen verurtheilt. Um den Preis seiner
Freiheit rettete ihm Webercus das
Leben, denn als er die Vorbereitungen
der Hinrichtung sah, erklärte er: in die
Garde eintreten zu wollen, wenn dem
Diebe das Leben geschenkt werde. „Gnade
dem Schufst um Weppruz" (Weber-
cus), resolvirte der König, und unser
Abenteuerer wurde ein Mann der Riesen -
garde. Als Gardist begleitete er d>>n
König nach Königsberg, als dieser an
den Fnedensverhandlungen zwischen
Rußland und Schweden persönlich theil-
nehmen wollte. Dort sah Fürst Menzi°
kof den Riesengrenadier und erbat sich
vom Könige nach vieler Mühe die Er-
laubniß, denselben nach Petersburg mit-
nehmen zu dürfen, um ihn als Muster-
mann der preußischen Leibgarde am rus-
fischen Kaiserhofe vorzustellen. So erhielt
der zu diesem Zwecke ganz neu ausftaf-
firte Webercns einen sechsmonatlichen
Urlaub und langte im Sommer 1722 in
Petersburg an, wo er vor Peter dem
Großen und Katharina Gnade fand,
die dortigen Feste durch seine Gestalt
verherrlichen half und in freigebigster
Weise gehalten wurde. Das üppige
Leben am Petersburger Hofe, wo immer
mehrere Diener, Pferde und Wagen ihm
zur Verfügung standen, gefiel unserem
Riesengrenadier so wohl, daß er seiner
Rückkehr nach Berlin vergaß und in der
Czarenstadt blieb. Als aber Kaiser
Peter 4723 und Katharina bald
danach, 4727, gestorben, Menzikoff
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Buch Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Wallnöfer-Weigelsperg, Band 53"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wallnöfer-Weigelsperg, Band 53
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Wallnöfer-Weigelsperg
- Band
- 53
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 332
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon