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Weilenbeck,
inenden Ausdruck zu gebrauchen — die ^
„„Vernunft der Ereignisse"", was das- !
selbe besagt, wie das spatere „„die Logik !
der Thatsachen conftruiren"". Jeder
suchte von seinem Standpunkte aus die
Zeit zu begreifen, die allerdings eine
schreckliche, infame, schwer begreifliche
war." Weilenbeck spielte auf der
Bühne das Charakterfach. Alfred Meiß-
ner schrieb über ihn: „Das eigentliche
Revier seines Talentes, in welchem er
sich mit Behagen erging, war das der
kalten Tyrannen ä. 1a, Phi l ipp I I . oder
Alba und der confiscirten Schurken
ä. Ia MuleyHassan, F r a n z M o o r,
Iago; doch auch im gemüthlichen Genre
konnte er packen und rühren; sein Jude
Schewa, sein Rabbi Akiba waren
fürwahr lebende Gestalten, die man nie
vergißt. Bis in die Komik hinüber konnte
er greifen und wußte insbesondere
lederne Philister, vertrocknete Bureau-
kraten mit dem glücklichsten Humor zu
zeichnen." Gegen Ende 1869 war es, als
Weilenbeck, der damals in Breslau
mit besonderem Erfolge spielte, auf der
Straße zum ersten Male für wenige
Augenblicke das Augenlicht verlor. Aber
von jenem Tage an nahm die Schwäche
des Auges so zu, daß ihm keine Studir-
lampe mehr hell genug brannte. Der
Arzt, den er zu Rathe zog, legte anfangs
auf das Uebel kein großes Gewicht, und
so trat denn Weilenbeck 1870 ein En-
gagement in Meiningen an, wohin ihn
Bodenstedt nach einem einmaligen
Gastspiele als Mar inel l i berufen hatte.
Mit der so berühmt gewordenen Mei-
ninger Gesellschaft machte er die drei
Berliner Gastspiele— als Bl inder —
mit und spielte in Minding's „Papst
Sixtus V." die Titelrolle. Argon in
Moliöre's «Der eingebildete Kranke",
Shylockin Shakespeare's „DerKauf- mann von Venedig", Andrea Doria
in „Fiesco", Freiherr von Attings-
hau sen in „WilhelmTell", den Kaiser
in „Käthchen von Heilbronn", den
Holzhüter Weiler in Otto Ludwig's
„Der Erbförster" mit entschiedenem Er-
folge. Aber der Zustand seiner Augen
verschlimmerte sich. In Halle consultirte
er den Professor Alfred Gräfe, des
berühmten Berliner Augenarztes Vetter,
der ihm, nachdem er den Künstler befragt,
ob er stark genug sei, die Wahrheit zu
hören,' und es dieser bejaht hatte, offen
erklärte: „Die Wissenschaft kann Ihnen
nicht helfen, Sie werden in kürzester Zeit
erblinden." Mit dieser schrecklichen Ge-
wißheit reiste Weilenbeck nach Meinin-
gen zurück. Im Mai 1Z70 begab er sich
nach Berlin, um seinen Zustand von
dem berühmten Gräfe, der wenige Mo-
nate nachher starb, prüfen zu lassen. Nach
kurzer Untersuchung wiederholte dieser
den Ausspruch seines Vetters. Um nun
die Abnahme der Sehkraft nach Mög-
lichkeit zu verzögern, ließ Weilenbeck
kein Mittel unversucht. In der Schweiz
am Gießbach und in Ungarn in der
Büdöshöhle an der Grenze Sieben»
bürgens suchte er Hilfe — alle Bemü-
hungen waren fruchtlos. Aber trotz
diesem Zustande blieb er seinem Berufe
treu und tragirte als „blinder Schau«
spieler" und in einer Weise, daß er das
Publicum täuschte. Erspielte den Franz
Moor, den Mephisto, den Selbitz,
den Butter, den Cromwell. Trotz
unsäglicher Anstrengungen studirte er
auch neue Partien ein, wobei ihm freilich
eine seltene Kraft des Gedächtnisses sehr
zu Statten kam. Häufiges Vorlesen
machte ihn in seiner Rolle sicher. Freilich
würde auch dies nicht genügt haben,
wenn es ihm nicht das bereitwilligste
Entgegenkommen der Mitspielenden, die
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weil-Weninger, Band 54
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weil-Weninger
- Band
- 54
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon