Seite - 112 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Weil-Weninger, Band 54
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Weiß, Johann Bapt.
nicht allzu fern von der französischen
Grenze liegt, sondern auch zum Bisthum
Straßburg gehörte, zog sich einst Cardinal
Roh an, nach der berüchtigten Hals-
bandgeschichte vom Hofe verbannt,
zurück und dort hielt sich auch der
unglückliche Herzog von Gnghien
auf. bis Napoleon ihn abfangen
und nach Vincennes bringen ließ. Auch
kam der ssardinal, der übrigens in Etten-
heim bald beliebt wurde, hin und wieder
in das Haus der Großeltern unseres
Weiß, Alles Momente, welche die
Erinnerungen an eine so ereigniß- und
folgenreiche Zeit, wie es die der fran-
zösischen Revolution war, leicht wach-
riefen und, nachdem sich noch Lecture hin-
zugesellte, bleibende Eindrücke im Knaben
hinterließen. Johann Baptist sollte
aucb Landmann werden, wie es sein
Vater war, und so weit zurück man denken
konnte,, seine Vorfahren gewesen. Er fügte
sich auch ganz gut darein und half früh'
zeitig dem Vater bei der schweren Arbeit
im Felde mid im Weinberg. Dabei
herrschte im Elternhaufe ein christlich
frommer Ton, wie es in jenen Tagen
Brauch war und auch heute beim Land-
mann ziemlich oft vorkommt. Zur Erho-
lung horchte cr aber auf die Geschickten,
welche ihm die Mutter, eine ebenso
fromme als herzensgute Frau, von Ro-
binson und Andern erzählte, wobei es
an gründlicher Rührung seinerseits nicht
fehlte. Nenn er nicht die Schule besuchte,
arbeitete er von Früh- bis Spätjahr in
Feld und Wald. Bei dieser Beschäfti-
gung lernte er die Volkssagen des daran
reichen Landes frühzeitig kennen; aber
noch ein Anderes machte tiefen Eindruck
auf den Knaben: das von dem Freiherrn
von Leida und Landsberg heraus-
gegebene ., Denkbuch der französischen
Revolution vom ersten Aufruhr in der Johann
Vorstadt St. Antoine (28. April 1789)
bis zum Todestage L u d w i g s XVI.
(21. Jänner 1793)", welches er stück-
weise von dem Sohne einer vormalV
reichen, nun herabgekommenen Familie,
Bogen und Bild für etliche Kreuzer
kaufte und in den Mußestunden gierig
las. Dabei verschmähte der wißbegierige
Junge aber andere Lecture nicht, so
z. B. die altdeutschen'Volksbücher, die
herrlichen Erzählungen von Christoph
Schmid u. d. m. Unter solchen Umstän-
den reifte des Knaben Gemüth, seine
Kenntnisse wuchsen spielend, und in der
Schule nahm er in den Stylaufgaben
bald die erste Stelle ein. Doch würde der
Gedanke, den Knaben studiren zu lassen,
kaum im Elternhause entstanden sein,
^ wenn nicht ein Phrenolog, der dasselbe
! zu besuchen pflegte, bei seiner. Gewöhn»
! heit, den Schädel des Knaben zu betasten,
! immer wieder ausgerufen hätte: „den
Knaben muß man studiren lassen!" Das
war freilich ein großes Verlangen, ein
umso größeres, als in Ettenheim selbst
kein Gymnasium vorhanden und der Be-
such einer auswärtigen Schule mit großen,
für die Familie unerschwinglichen Kosten
i verbunden war. Nun aber, dieser ewige
! Refrain wirkte. Der nächste Ort, wo ein
i Gymnasium sich befand, war das sechs
Stunden entfernte Ofsenburg. Und mit
dem Entschlüsse des Vaters, es mit einem
Jahre zu versuchen, kam Johannes
l dahin, als er das 12. Lebensjahr über-
schritten hatte. Nachdem er das Heim-
weh, welches sich einstellte, überwunden,
ging es ans Lernen. Mit dem Latein
aber wollte es nicht vorwärts, und das
Zeugniß lautete wenig befriedigend.
Darüber erwachte der Ehrgeiz des Kna-
ben in fast elementarer Weise, mit eiser-
nem Fleiße studirte er die Grammatik,
lernte die lateinischen Beispiele aus dem
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weil-Weninger, Band 54
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weil-Weninger
- Band
- 54
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon