Seite - 113 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Weil-Weninger, Band 54
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Weiß, Illhnn» Vapt. Weiß, Johann Vapt.
damals beliebten Brod er und rang sich
in den Stylübungen alsbald zum Zwei-
ten, zuletzt zum Ersten empor. Bei der
Prüfung im Herbst trug er den Preis
davon. Der Sieg war errungen und die
Fortsetzung des Studiums gesichert. Aber
dasselbe erfuhr durch den plötzlichen Tod
des Vaters für den Moment eine Unter-
brechung. Weiß wurde heimberufen, wo
er den Vater nur mehr als Leiche vor
fand. Bei dem nach der Beerdigung ab-
gehaltenen Familienrathe erklärte die
Mutter unter Thränen, auf die vielen
Kinder weisend, außer Stande zu sein, das
zum ferneren Studiren erforderliche Geld
zu liefern; ja sie verlangte sogar, daß der
erwachsene Sohn daheim bleibe und ihr
bei der Arbeit helfe. Dieser, von der Hilf-
losigkeit der Mutter ergriffen, beschloß
nun selbst, daheim zu bleiben, bat aber,
seine in der Schule benutzten Bücher be>
halten zu dürfen, was ihm auch gern
bewilligt wurde. Als aber die Nachbarn
zu reden begannen und der Mutter vor>
stellten, daß sie unrecht thue, ihren Sohn
dem Studium zu entziehen, nach dessen
Vollendung er ihr doch weit mehr nützen
könne, als wenn er ein Bauer bliebe, und
als betreffs des Kostenpunktes, den sie
immer noch vorschützte, der Sohn erklärte,
er wolle keinen Kreuzer von ihr haben, er
werde sich selbst durchschlagen, gab sie
endlich nach, und nach Monatsfrist kehrte
er nach Offenburg zurück, wo er sich
durch Stundengeben, wenn auch müh-
selig genug, fortbrachte. An Entbehrun»
gen aller Art fehlte es nicht, er litt
Hunger und Kälte, auch manche De»
müthigungen, aber über Alles hoben ihn
ernster Wille, Zuversicht und Gottoer
trauen hinweg; er rang sich durch alles
Ungemach. Er machte gute Fortschritte.
Die Methode, den Jungen Latein und
Griechisch beizubringen, war damals eine
v. Würz dach. biogr. Lerikon. I^IV. ,",
weit bessere als heutzutage, wo dieselben
mit abstraclen grammatikalischen Klei»
niqkeiten geplagt werden, welche, statt zur
Erlernung der Sprache anzuspornen,
davon abschrecken. Die Liebe zu den
Clafsikern wurde geweckt, indem man die
armen Jungen nicht mit Realien er-
drückte, nicht mit mathematischen Subli-
mitäten plagte, ehe sie für dergleichen
überhaupt reif waren, ^laituni, non
rnuita. galt damals als pädagogische —
einzig richtige — Losung. Denn gewiß
ist es, daß Knaben, welche die Klassiker
durchgemacht haben, zur Auffassung der
Realien in späteren Jahren sich ungleich
fähiger zeigen. Als Weiß l838 — da-
mals ein 48jähriger Jüngling — als
erster Preisträger Offenburg verließ, hatte
er bereits die Aeneide Virgi l 's , den
ganzen Horaz, den ganzen Herodot,
den ganzen Livius gelesen, welch' Letz»
terer einen ungewöhnlichen Zauber cmf
ihn übte; dabei hatte er französisch spre-
chen und einige französische Hauptwerke:
so den „Telemach", die Fabeln Lafon-
taine's, die Fabeln und Erzählungen
Florian's, Voltaire's „Henriade"
und „Karl XII ." , im Englischen den
Roman „Der Vicar von Wakefield" ken-
nen gelernt und übersetzte im Hebräischen
das ganze Lesebuch des Gesenius. Nun
bezog er das Obergymnasium in Frei»
bürg, wo ihn der tüchtige Philolog
Baumstark in das Studium des Ta-
citus einführte. Da kam auch die
Kritik zu ihrem Recht, die Dialoge
Plato's wurden durchgearbeitet, und
Weiß galt in der Schule für den besten
lateinischen Stylisten. Beim Schlußacte
hielt er über Plato's Beweise für die
Unsterblichkeit der Seele eine lateinische
Rede, mit welcher er großen Beifall
erntete. Jetzt warf er sich mit Leiden»
schaft auf die Philosophie: K a n t ,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weil-Weninger, Band 54
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weil-Weninger
- Band
- 54
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon