Seite - 119 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Weil-Weninger, Band 54
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i^ Johann Bapt. 119 Weis, Johann Bapt.
ist einMensch. und die W eltg eschichte
ist die Biographie dieses Menschen.
Und wie im menschlichen Leben jedes Ganze
sich wieder in Theilganze gliedert, so auch
im Leben der Menschheit; jedes Volk wird
hier als ein ursprüngliches Ganzes gefaßt,
nicht bloß als ein Aggregat von Individuen;
und wie die ganze Menschheit in ihrem
Leben ein großes Ziel verfolgt, das ihr mit
ihrer Begabung vom Schöpfer gesteckt ist. so
auch jedes Volk: es ist ihm eine Idee ge-
steckt, die es verwirklichen soll. Jedes Volk
hat seinen eigenen Genius, der sich in dessen
politischem und religiösem Leben, wie indessen
Kunst und Wissenschaft entfaltet, der sich
in den Leistungen der begabtesten Geister
ebenso offenbart, wie in den großen politi-
schen Krisen, die es zu bestehen hat; dieser
Genius zeigt sich in allen Phasen der Ent«
Wickelung, in der Jugend wic in dem Alter,
in der Zeit der höchsten Kraft. w''e des Ab'
sterbens jedes Volkes, er ist gleichsam die
Seele jedes Volkes. Alle Anlagen treten nicht
auf einmal hervor, sondern nach und nach
und sind durch besondere Organe vertraten.
Das Niedere geht dem Höheren voran und
ist wieder reproducirt in diesem. Die Organe
sind die einzelnen Volker; hat ein Volk ge»
leistet, was es sollte, so tritt es vom Schau«
platze nb und weicht einem höheren, das
dessen Errungenschaften aufnimmt und weiter»
führt. 3o ist in der ganzen Weltgeschichte
ein steter Fortschritt. Wie nach der Lehre des
Pythagoras jedes Gestirn einen eigenen
Ton hat und die Bewegung aller zusammen
eine Sphärenmusik hervorbringt, einen Welt»
choral bildet, so ist auch in der Geschichte
eine höhere Harmonie, bei aller Selbständig'
keii ein Gemeinsames, alle Dissonanzen lösen
sick zuletzt in einen höheren Einklang auf.
Nie die Natur ein Tempel Gottes genannt
wird, so ist auch die Weltgeschichte ein Tem-
pel, in welchem man aus den Seelen der
Völker Gott kennen lernen kann. wenn m^n
ein Verständniß dafür dat. Aber auch hier
gilt wieder Goctbe's Wahrspruch: Wie der
Mensch, so sein Gott — drum ward Gott
so oft zum Spott. — Dirö ist das Ergebniß,
welches man aus dem Studium des Meister«
Weckes des Professors 1)2-. Johann Bapi .
Weiß, ans seiner Weltgeschichte, gewinnt
Weis, Johann Baptist (Volks'
schriftstell er, geb. zu Plan in Böh- men am 12. December l801, gest. zu
Spei fing nächst Wien am 20. März
1862). Der Sohn eines herrschaftlichen
Beamten, besuchte er die Volksschule
seines Geburtsortes, vollendete unter
kümmerlichen Verhältnissen die Gymna»
sialstudien zu Eger und kam 1820 nach
Wien, wo er nach Zurücklegung des phi-
losophischen Lehrcurses am 23. October
1823 in den Staatsdienst, und zwar bei
der k. k. Staatsbuchhaltung eintrat. Da-
selbst rückte er im Hinblick auf die vor-
märzlichen Zustände in der beamtlichen
Hierarchie in verhältnißmäßig sehr kurzer
Zeit, 1839, zum Rechnungsrathe bei der
k. k. Hofkriegsbuchhaltung vor, und nach
zehnjähriger Dienstleistung in dieser
Eigenschaft ließ er sich in den zeitlichen
Ruhestand versetzen, um sich ganz seiner
volksthiimlichen schriftstellerischen Tha-
tigkeit zu widmen. Schon 1830 hatte er
ein periodisches Werk, den „Oesterreichi-
schen Volksfreund", in zwei Bänden her»
ausgegeben' 1837 übernahm er dann
nach I . A. Gleich die Fortsetzung der
von Ios. Richter »Bd. XXVI, S. 37,
Nr. 24^ begründeten, seit Jahren popu»
lären „Eipeldauer Briefe", die er unter
dem Titel „Briefe des Hans Iörgel
aus Gumpoldskirchen an seinen Schwa»
ger in Feselau" durch seinen derben
Humor, in welchem er in vormärzlicher
Zeit in landesüblicher Mundart sagen
durfte und es zu sagen verstand, was
man reindeutsch nicht hätte drucken lassen,
und durch die Lebendigkeit der Darstel-
lung bald in den weitesten Kreisen zu
verbreiten wußte. Man glaube aber ja
nicht, daß dieses merkwürdige und für
Wiens Culturgeschichte so wichtige Blatt
etwa nur in Kreisen des niederen Volkes
gelesen wurde, mit nichten, dieses Blatt
lag im Vormärz zugleich mit der „Allge-
meinen Zeitung" in den Salons der vor-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weil-Weninger, Band 54
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weil-Weninger
- Band
- 54
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon