Seite - 126 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Weil-Weninger, Band 54
Bild der Seite - 126 -
Text der Seite - 126 -
Meiß, Iosephine 126 iß^ Iosephine
Weiß damals nicht Ballete zur Aufsah-
rung, sondern führte mit ihrem gemisch-
ten Balletcorps einzelne Tanze auf,
welche als Einlagen zu den Stücken
dienten, deren namentlich Told eine
ganze Reihe lieferte, die ihren riesigen
Erfolg weniger dessen dramatischem Ge-
nius als dem Decorationsmaler und
der Balletineisterin zu danken hatte. Das
Balletcorps der Frau Weiß aber tanzte
mit einer Gewandtheit, Sicherheit und
Anmuth, welche das Publicum geradezu
hinrissen. Insbesondere war dies mit
dem für den „Zauberschleier" compo
nirten Rosenmädchen . Walzer der
Fall. Die Erfolge ihrer kleinen Tan
zerinen, deren Zahl zwischen 36 und
34 schwankte, brachten Frau Weiß auf
den Gedanken, es mit ihnen auch ander
wärts zu versuchen, und nachdem sie die
von den Eltern der Mäocben dagegen
erhobenen Schwierigkeiten glücklich über»
wunden hatte, ließ sie die „Wiener
Kinder" 1843 zum ersten Male in London
tanzen. Fast schimpf!icb klingt die Ironie,
mit welcher der englische Kritiker diese
Kindertage bespricht. „Keine Maschine
kann exacter arbeiten", schreibt er, „ein
Wille, ein Antrieb scheint alle zu be-
seelen, nachdem sie doch alle ungezügelte
Fröhlichkeit und die dem Kinde inne-
wohnendeNaivität beibehalten haben..."
„Die Deutschen haben", fährt er dann
fort, „doch wahrlich das größte Genie in
Kleinigkeiten. Nirgends als in Deutsch-
land weiß man die Gimpel und Kana»
rienvögel so gut abzurichten, das Einstu-
diren dieser Kinderballets ist auch eine
durch und durch deutsche Arbeit und
wenn auch der Zweck kein großer, so ist
doch die Ausführung unerreicht in ihrer
Art". Nun, diese Ironie John Bulls,
dessen Kinder-Erziehungsinstitute Boz
Dickens zur Erbauung aller deutschen Leser drastisch genug zeichnet, muffen wir
Oesterreicher uns schon umso mehr ge-
fallen lassen, als wir uns ja auch die
Priorität der von dem Oesterreicher
Nessel erfundenen Schiffsschraube mir
nichts dir nichts von John Bull stehlen
ließen. Nun schickte sich Frau Weiß an,
allen Reclamationen der Eltern und selbst
gerichtlichen Aufforderungen trotzend —
so hatte die niederösterreichische Landes»
regierung im Namen der Eltern deren
drei (am 9., 43. und 17. September
-4843) in der „Wiener Zeitung" erlassen
— mit ihrer kleinen Truppe nach Amerika
zu reisen, welches sie wiederholt besuchte
und wo sie thatsachlich glanzende Ge-
schäfte machte. Nach ihrer Rückkehr ließ
sie ihre kleinen 36 „Wienerinen" wieder
in London unter Director Lumley im
Queenstheater tanzen. Da sie sich aber
mit den Verfügungen des Directors
nicht einverstanden erklären wollte, be-
gehrte sie Aufhebung des Contractes.
Dagegen brachte Director Lumley den
begründeten Einwand vor, daß Frau
Weiß auch ihrerseits die Verpflichtungen
nicht eingehalten habe. Und dies war
auch der Fall, da Frau Weiß, die sich
nicht länger weigern durfte, den Eltern,
welche ihre Kinder zurückverlangten, die,
selben hu senden, nun gezwungen war,
die in ihrem Balletcorps entstandenen
Lücken durch Mädchen, welche sie in
Bath, Oxford und in Londons Um-
gebungen angeworben, zu ersetzen. Frau
Weiß wurde auch vom englischen Richter
in die Kosten verurtheilt. Nun begab sie
sich mit ihren kleinen Tänzerinen nach
Hamburg, wo ihrer eine neue Ueber-
raschung wartete, da sie die nicht unbe-
trächtlichen Schulden, welche ihr Gemal
daselbst vor Jahren hinterlassen hatte,
bei Vermeidung des Personalarrestes be-
zahlen mußte. Eine viel schlimmere und
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weil-Weninger, Band 54
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weil-Weninger
- Band
- 54
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 346
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon