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Wendig 28 Menzig
stattgehabten Sitzungen kam das Gesetz
der' sprachlichen Gleichberechtigung zu
Stande, welches sich in der Folge als
das Sprachenzwangsgesetz entpuppte.
Wen zig konnte mit seiner parlamenta«
rischen Thätigkeit zufrieden sein. Endlich
wurde er 1864 in den bleibenden Ruhe-
stand versetzt, den er noch zwölf Jahre,
aber nur im Hinblick auf seine abgeschlos'
sene amtliche Thätigkeit genoß, denn er
that noch überall mit, wo es sich im
Prager Gemeinwesen um Schule und
verwandte Angelegenheiten handelte, so
bei der Organisation des gemeindlichen
Realgymnasiums auf der Prager Klein»
seite, bei der Gründung des Gemeinde»
Armenhauses zu St. Jakob, bei der Auf-
sicht über die Gemeindeschulen, bei der
Gründung eines Nnterstützungsfondes
für arme Studenten an den Prager
Mittelschulen u. s. w. Wenzig war un
bestritten ein ungemein begabter und
energischer Schulmann von umfassenden
Kenntnissen. Sein pädagogisches Wirken
würde gewiß allgemeine Anerkennung ge»
funden haben, wenn er ihm nicht selbst
den Makel der Zweideutigkeit als Stem-
pel aufgedruckt hatte. Es gab eine Zeit,
wo die deutsche Kritik in anerkennender
Weise sein Wirken als Schulmann, Fach-
schriftstelier und Dolmetsch der öechischen
Nalionalliteratur uneingeschränkt aner«
kannte, ja wo er selbst nach solcher Auer>
kennung deutscherseits strebte, das
war jene Zeit, in welcher er in dem von
ihm in Spamer's Verlag herausgege-
benen „Illustrirten vaterländischen Ge>
schichtsbuch", und zwar ander Stelle, da
er das österreichische Schulwesen und
dessen Leistungen unter Kaiser Franz
Joseph darstellt, wörtlich schreibt:
„Kaiser Franz Joseph schlang um alle
Schulen seines Staates das gemein-
schaftliche Band der deutschen Sprache, aber wie ein Band um einen Blu-
menstrauß, nicht wie eine Fessel".
Einige Jahre später wollte dieser näm>
liche Schulrath Wenzig die öechische
Sprache um alle Schulen, aber nicht wie
ein Band um Blumen, sondern wie einen
Strick um Menschenkehlen geschlungen
sehen. Es ist ihm gelungen, den Hader
zwischen den öechen und Deutschen zu
entflammen. Die Saat, welche daraus
aufkeimt, sehen wir mit eigenen Augen'
aber die Frucht ist eine andere, und der
wahre Oesterreicher wird Wenzig's
Namen nie mit einem Segensworte ver-
binden. Die pädagogische Wirksamkeit,
die Wenzig anfangs so erfolgreich
übte, hat er in der Folge mit der agita»
torischen vertauscht; in die Schule aber,
welche die Gemüther lautern, die Geister
erheben und mit der milden Flamme des
Humanismus durchwärmen soll, in diese
Hallen des Friedens die Brandfackel der
Agitation zu schleudern, ist ein Ver»
brechen gegen die Jugend, welche auf
verkehrte Bahnen getrieben wird, ist ein
Verbrechen gegen den Staat, für den
man nicht edle Bürger, sondern Rebellen
erzieht. Der Vollständigkeit halber sei
noch erwähnt, daß Wenzig fünfmal in
den böhmischen Landtag gewählt wurde
und Ehrenmitglied mehrerer oechischer
Städte war. Im städtischen Schulans-
schuß führte er den Vorsitz, war pädago-
gischer Inspector der höheren Mädchen-
schule und Ausschußmitglied des Ver»
eines zur Gründung einer Gewerbeschule
in Prag; wirkliches Mitglied der böhmi-
schen Gesellschaft der Wissenschaften,
Curator der öechischen Matice, Mitglied
und Vorstand verschiedener Geselligkeits-
und pädagogischer Vereine. I n seinen
letzten Jahren, da ihm nach Versetzung
in den Ruhestand einige Muße blieb,
arbeitete er an einer öechischen Ausgabe
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Band 55
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weninger-Wied
- Band
- 55
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon