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Werndl, Joseph Werndl, Joseph
Kreise Böhmens, Ferlach, Prag und
anderen Orten geliefert. Als nach dem
Kriege 1866 man in den preußischen
Hinterladern die eigentliche Ursache der
uns so schwer demüthigenden Siege
Preußens zu finden glaubte, entschloß
sich auch die österreichische Regierung
endlich zum Hinterladungssystem. Da in
Oesterreich aber keine große Waffenfabrik
eristirte, war die kaiserliche Regierung
genöthigt, die Lieferung für die nach
neuem System construirten Gewehre aus'
ländischen Firmen anzuvertrauen. Nun
faßte Werndl den Muth, eine Waffen-
fabrik zu gründen in einem Umfange,
wie eine ahnliche in der Monarchie noch
nicht bestand, und so der ausländischen
Concurrcn; zu trotzen. Es wurde ihm
denn auch die Anfertigung sämmtlicher
Gewehre nach dem neuen System für
das kaiserliche Heer überlassen. Nach
Erledigung dieses Auftrages konnte er
seine Arbeit auch dem Auslande an-
bieten und mit dem besten Erfolge mit
den bedeutendsten österreichischen Firmen
concurriren. I n der That schuf er groß»
artige Anstalten. Längs des Ufers der
Steyr erhebt sich eine Reihe von zwei
bis drei Stock hohen Gebäuden, sammt-
lich im Rohbaustyl ausgeführt. Das sind
die Werndl'schen Fabriksgebaude, etwa
13 an Zahl, und das kleinste derselben
immer noch groß genug, um ein ansehn»
liches Zinshaus in Wien zu reprasen-
tiren. Daselbst befinden sich die verschie-
denen Schleifereien, Schaftmaschinen,
Montirmaschinen u. s. w. Aber in diesen
13 Gebäuden wurde nur das bearbei-
tete Product der Vollendung zugeführt.
Mit der Werndl'schen Fabrikstadt in
Steyr stehen die Fabriken in Letten,
einer etwa eine Stunde von Steyr ent>
fernten Ortschaft in Verbindung. Diese
Filiale ist eine Anlage, etwa so groß wie das kaiserliche Arsenal zu Wien und be>
steht aus sechs größeren Gebäuden am
rechten Ufer der Sirming, welche das
Maschinengebäude, die Magazine, die
Arbeiterwohnungen und die Tormentir»
Hütte und am linken Ufer die Hammer»
schmiede und Reparatunverkstütte, den
Glühofen, einen Kalkofen, Schleifereien,
eine Sägemühle u. s. w. enthalten. Die
Gesammtanlagen umfassen einen Flächen»
räum von fast 3000 Quadratklaftern
und beschäftigen 1200 Maschinen, welche
von 2300 Arbeitern übeuvacht und ge»
leitet werden, wöchentlich 1000 Centner
Gußstahl, 300 Centner Steinkohle und
3000—4000 Mchen Holzkohle consu-
miren. Eine sehr eingehende Beschiel»
bung der Werndl'schen Fabriken und
ihrer Leistungen brachte die „Neue Freie
Presse" 1868 im Feuilleton der Nr. 1439.
Werndl's Name wird übrigens in der
Geschichte der Scbießwaffen, welcde ver«
schiedene von ihm gemachte Erfindungen
und Verbesserungen verzeichnet, oft ge>
nannt. Da aber bei andauerndem Frie-
den in der Gewehrfabrication Stockungen
eintreten können und wirklich auch ein»
traten, welche die Entlassung von zahl»
reichen Arbeitern und damit den Eintritt
von allerlei Nothfallen und nock schlim-
meren Verwicklungen zur Folge haben,
war Werndl auf einen Ersatz bedacht,
der seinen Arbeitern auch weiter Beschäf-
tigung sicherte. Und da trat eben die
Frage der elektrischen Beleuchtung und
überhaupt die dec Benützung der Elektri«
cität als Kraft für das praktische Leben
an die Tagesordnung. Mit der ihm an-
geborenen Energie bemächtigte er sich
sofort dieser wichtigen Angelegenheit,
und er war es, der in Stadt Steyr der
Erste eine elektrische Ausstellung ins
Leben rief. welche allgemeine und ge»
rechte Bewunderung erregte und welcher
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Band 55
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weninger-Wied
- Band
- 55
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon