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Merner. Zacharias Werner^ Zacharias
theologischen Disciplinen sich vertraut
gemacht hatte, nur noch das Ritual des
katholischen Küchendienstes studirte und
am 16. Juni 18l4, im 46. Jahre seines
Alters von dem damaligen Suffragan
des Erzbischofs, dem Weihbischof von
Kolborn, die Priesterweihe empfing.
Ende August 48 l4 ging er von
Aschaffenburg nack Wien, wo sich in<
dessen der Congreß versammelt hatte.
Daselbst ward er ohne sein Zuthun zum
Predigen aufgefordert. Die Seltsamkeit
seiner äußeren Erscheinung, das Ent-
flammende, Hinreißende seines Vortrages,
ein sozusagen milder Fanatismus, der
sich durch alle seine Reden zog, verbunden
mit dem Aufsehen, das sein religiöser
Umschwung, das Entsagen allen welt-
lichen Ruhmes, der ihm als bedeutendem
Poeten reichlich zutheil geworden, in
allen geistig höher stehenden Kreisen her-
vorbrachte, trieb Alt und Jung, Hoch
und Nieder zur Kirche, in welcher der
vom Lurherthum Abgefallene, für die
katholische Kirche neu gewonnene Priester
das Gotteswort verkündete. Vornehmlich
lag er dem Predigtamte ob, und zwar
den Winter über meist in Wien, im
Sommer in den anderen Provinzen der
Monarchie, in den Erzherzogthümern, in
Steiermark, Ungarn, sogar-in Venedig.
I n dieser Zeit erschienen sein Schauspiel:
„Dieh.Kunigunde" und das bereits 1809
aufgeführte erwähnte einactige Drama
„Der 24. Februar" in Druck. Man hatte,
um den Abtrünnigen im katholischen
Publicum zu verdächtigen und ihm sonst
den betretenen Weg zu erschweren,
allerlei Lügen ersonnen und Verdächti»
gungen gegen ihn vorgebracht, so unter
anderen, daß er früher protestantischer
Prediger gewesen; und in der That war
sein Auftreten im Predigtamte vor einem '
so leicht beweglichen und erregbaren ^ Publicum, wie das Wiener, keine geringe
Aufgabe. Aber er ließ sich nicht irre
machen. Gewappnet mit einem Gleich»
muth gegen allen Erfolg oder Mißerfolg,
ging er an seine Aufgabe und löste die-
selbe wider alles Erwarten, indem sein
aus den gewähltesten Zuhörern bestehen-
des Publicum durch die Macht seiner
Beredtsamkeit ihm mit Andacht und Hin«
gebung lauschte und mit jedem neuen
Auftreten des Predigers der Andrang
sich steigerte. Der Frühling 1816 ge-
währte ihm durch den Antrag in Wien
gewonnener Freunde eine längere Echo«
lung. die er bei der Anstrengung der
vorangegangenen Jahre dringend be-
dürfte. Er begab sich nämlich auf den in
Podolien gelegenen Landsitz der graf»
lichen Familie Choloniewski und ver-
weilte daselbst ein volles Jahr. Da
wurde ihm eine neue Auszeichnung zu»
theil, indem ihn der. Bischof Mackie»
wicz in das altehrwürdige Capitel der
Kathedrale von Kamieniec podolski im
Frühling 1817 als Ehrendomherrn, jedoch
ohne Refidenzpflichtigkeit und Gehalt
aufnahm. Nach seiner Rückkehr beschaf»
tigte er sich in Wien mit Herausgabe
einiger theologischer Werke, über welche
er in seiner Vorrede zu Silbert's 1822
ebendaselbst erschienenen Ueberfehung der
Nachfolge Christi von Thomas a
Kempis nähere Aufklärung gibt, Im
Jahre 18l9 gewährte ihm der damalige
Fürsterzbischof von Wien Graf von
Hohenwart!) Aufnahme in sein Haus.
Daselbst lebte Werner, ohne je ein
eigentliches Kirchenamt oder eine sonstige
Anstellung zu bekleiden, ganz einer geist»
lichen Vertiefung in sich selbst hingegeben
und im innigen Verkehre mit ihm gleich»
gesinnten Männern, von denen Antonin
Franzoni, Hoffbauer, Friedrich
Schlegel, Herr von Pi lat imd Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Band 55
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weninger-Wied
- Band
- 55
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon