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Werner, Zachariaß 80 Werner, Zacharias
Dämmerung leuchtet, aus dieser Dunkel-
heit des Seins durch stufenweise Auf-
hellung heraufstrebt; endlich, daß er ge-
wohnt war, seine dramatischen Gestalten
plötzlich an irgend eine willkürliche Idee
zu verrathen, die ihn übermeisterte, und
sie von dem vollen Leben, in dem sie
wandelte, hinabzustürzen zu den Schatten»
gestalten leerer Traumgebilde. Dagegen
muß schon das allein für Werner eine
günstige Idee erwecken, daß er zu der-
selben Zeit, wo Schiller das Theater
beherrschte, nicht allein der Erwägung,
sondern der Liebe werth gefunden wurde.
Er hatte in der ersten Auflage der
„Söhne des Thales" so viel historischen
Sinn im Drama gezeigt, von großartiger
Charakteristik und einer glänzenden,
zwar eigentlich Schil ler nachgebildeten
Sprache unterstützt, daß man das my-
stische Ende gern übersah, um sich an
dem, was die Natur an dem Dichter ge-
leistet, zu erfreuen. Spater hat er, in
seltener Mißkennung seines poetischen Be»
rufes, die Poesie nicht mehr in der Wahr«
heit des Lebens, sondern in gewissen
Ideen von Liebe und Einklang der Seele
suchen wollen, die, durchaus in keinem
großen Sinne aufgefaßt, auf Folgesätzen
beruhten, welche aus einer nur einsei
tigen, daher mangelhaften Betrachtung
des Verhältnisses der im Irdischen ve»
fangenen Menschenwelt zu einer höheren
geistigeren hervorgingen. Er selbst hat
sich späterhin auf das heftigste gegen
seine eigene Arbeiten erklärt und sich
durch die Last der über sie mit Erbitte»
rung gewalzten Vorwürfe tiefer herab»
gewürdigt, als es Freund oder Feind
thun mochte. Die nach dieser Nichtig-
keitserklärung erschienenen Arbeiten sind
aber. was den Charakter der Kunst an-
belangt, in demselben Geiste wie die frü'
heren verschmähten geblieben. Wie sehr, auch einen anders Gesinnten die falsche
Mystik der Werner-Tragödien feindselig
berühren mag, so ist dennoch in ihm die
Grundlage eines wahrhaft großen dra»
matischen Dichters nicht zu verkennen,
und wenn er es zur Zeit über sich ge-
wann, die Natur, wie sie ist, als eine
unendliche Offenbarung des Höchsten zu
ehren und ihr nicht die eigene Ansicht
unterzuschieben, so lieferte er Bruchstücke
einer so erhabenen Art, daß jedes dich«
terische Gemüth durch sie angeregt werden
muß. Er ist auch in seinen Fehlern eine
bedeutende Erscheinung der Zeit gewor-
den und mit Heinrich von Kleist in der
Hinsicht verwandt, daß Beide gern den
einfachen Sinn der Handlung, der eben
immer auch der tiefste ist, verschmähen,
um ihr eine schlechterdings willkürliche
Deutung aufzuzwingen." —Werner 's
Nebertr i t t zum Kathol ic ismus
wurde von Seite der Protestanten nicht
nur auf daä heftigste angegriffen, sondern
man hat diesen Schritt auch denützt
zur Erfindung von Lügen, zur Aus»
streuung von Verleumdungen und Alles
dazu gethan, infolge dessen Werner's
verdienten Dichterruhm zu schmälern.
Einer seiner Freunde, wenn wir nicht
irren, der nachmalige Criminalrath und
als Schriftsteller vielgenannte Hitzig,
hat versucht, auch über diesen Punkt das
Publicum aufzuklären. Werner, meint
er, war, wie aus dessen Briefen, die sein
geheimstes Innere schonungslos auf>
decken, zu schließen, ursprünglich mit so
gesundem religiösen Sinne begabt, als
es der für das Leben und die Kunst in
ihm war. Daß er die natürliche Straße
verschmähte und die verschiedensten Wege
einschlug, um einem Ziele nachzustreben,
das ihm nie klar vor der Seele schwebte,
und wie er darum in verschiedenen
Lebensperioden und Lagen chamäleontisch
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Band 55
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weninger-Wied
- Band
- 55
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon