Seite - 84 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Weninger-Wied, Band 55
Bild der Seite - 84 -
Text der Seite - 84 -
Werner, Zacharias 84 Merner, Zacharias
Werner, ebenda S. 237—312. — Zei-
tung für die elegante Welt. 1823. Nr. i96:
„Sonett von Werner". M s in Königsberg
„Die Söhne des Thales" von Werner auf-
geführt wurden, componirte auf dessen Wunsch
ein ihm persönlich unbekannter Landsmann
zu den lyrischen Stellen des Werkes Melo»
dien. An den Compositeur dieser Stücke ist
obiges Sonett Werner's gedichtet.)
IV. KrUMe über Werner den Hotten. Goe-
deke über Zacharias Werner. „Es ist
schwer", meint Goedeke. „sich ein richtiges
Bild von Werner zu schassen, da Leben
und Dichtung bei ihm in unversöhnlichem
Widerspruch zu stehen scheinen. Seiner Zeit
und dem Orte seiner Geburt entsprechend,
begann er mit Gedichten im Sinne der da»
maligen Verstandesaufklärung und endete wie
Brentano mit Schriften, die von den eso«
tcrischen Katholiken für ausgezeichnet und
für mehr als correct erklärt wurden. Sein
wildes liederliches Leben, daö wie bei Bren»
tano erst recht heraustritt, wenn man die
tagebuchartigen Selbstbekenntnisse mit ihrer
Mischung uon sinnlichem Genuß und geist»
lich^r Uebung neben seine Biographie hält.
scheint mit dem mystischen Katholicismus
nicht zu stimmen. <Iber wenn man nach No»
valis' Ausspruche, um büßen zu können,
uorher sündigen, um sich mit Gott liebevoll
zu versöhnen, uorher von ihm abfallen mußte,
lebte Werner ganz correct, nur daß wir
Protestanten und hoffentlich auch die unbe»
fangenen Katholiken weder die Theorie noch
die Praris dieser Lebensphilosophie für zu»
lässig erkennen. Früher schon wollte Werner,
daß man in ihm den prosaischen Menschen
vom poetischen unterscheide. Prosaisch sei er
mit dem kältesten Denker einverstanden, daß
Aufklärung des Verstandes und Veredlung
der moralischen Freiheit die Hauptgüter der
Menschheit seien, und daß d« schönsten Bilder
weder zur Erfüllung unserrr Handlungspflicht
hinleiten, noch von Erfüllung unserer Denk«
Pflicht ableiten sollen; mit einem Worte, er
trenne die hohe Moral ganz von der Aesthetik
oder Disciplin oeö Schönen. Aber eben aus
diesem Grunde mache er letztere auch nicht
zur Dienerin der Moral oder der Humanität,
welche beide er für hoch erhaben, aber für
total prosaisch halte. Kunst und Neligion
sollten seiner Meinung nach das Herz wie
cin Gefäß durch Anschauen des Schönen und
des Universums nur reinigen so weit, daß es für die höheren Wahrheiten der Moral
empfänglich sei, nicht dem Herzen diese
Wahrheiten selbst „eintrichtern", denn das
wäre ein der Moral, die nur reine Motive
braucke, unwürdiges Vehikel. Nun seien aber
die Herzen der Alltagsmenschen kalt. sie
müßten also durch Bilder des Uebersinnlichen
erst entstammt werden, wie ein irdenes Ge»
fäß ausgeglüht, ehe die reine Milch der
Moral in sie gegossen werden könne. Das sei
sein kurzes Glaubensbekenntniß über Kunst,
die ihm nicht als flüchtiges Amüsement, son»
dern als Leiterin durchs Leben gelte. Er setzte
demnach die Kunst (mit Inbegriff der Dich»
tung) als eine Stufe der Moral voraus,
während die der ganzen Menschheit nöthige
Moral und dercn göttliches Fundament vor
aller Kunst wirken muß, da die Kunst nur
die freiere Entfaltung des menschlichen mit
der Pflicht im Einklänge stehenden Lebens
sein kann. Seine poetischen Arbeiten waren
demgemäß nicht Ausflüsse einer in sich heiter
geschlossenen Natur, sondern Zeugnisse eines
unklar drängenden Strebens nach einem un-
klar dämmernden Ziele. Die Haupttendenz
seiner „Söhne des Thales" erklärt er (1802)
für nichts weiter als für den Sieg des ge»
läuterten Katholicismus mittels der Maurerei
über den in seinen Grundsätzen zwar ehr»
würdigen, aber dem Menschengeschlecht als
solchem nicht angemessenen durchaus prosai«
schen Gang eines durch keine Phantasie be»
grenzten Criticismus. (Repräsentanten des
ersteren sollen der E'rzbischof und das Thal,
Repräsentanten des letzteren Molay und die
Templer sein.) Den geläuterten Katholicismus
nannte er neun Jahre vor seinem Uebertritt
seinen Götzen, dem er durch seinen Inquisitor
Wilhelm von Paris ein nicht unwürdiges
Opfer zu bringen bosse. Diesen iocalisirten
Katholicismus hatte rr. der damalige Pro»
testant oder Kryptokatholik, sich erst zu schaffen,
und sein Ideal wich weit ab von der Kirche.
In poetischer Hinsicht nahm er nicht nur die
Maurerei, sondern selbst manches von ihrer
Geheimnißkrämerei. ja. wie er sich ausdrückt,
den jetzt aufs neue Mode werdenden Katho«
licismus, n^ cht als Glaubenösystem, sondern
als eine wiederaufgrgrabene mythologische
Fundgrube theoretisch und praktisch in Schutz
und erklärte, daß allen europäischen Kunst»
genuß und Kimstgesckmack allmälia der Teufel
hole. wenn wir nicht zu einem geläuterten,
' keineswegs metamorphosirten Katholicismus,
von dem wir ausgegangen, zurückkehren wür-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Band 55
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weninger-Wied
- Band
- 55
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon