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Werner. Zacharias Werner, Zacharias
oen. Und in diesem Sinne meinte er, könne
sein Schauspiel ebenso gut eine Predigt
heißen. Immerhin dann aber zunächst eine
Capucinerpredigt (ist oft besser als eine sal<
bungsoolle protestantische Kanzelrede, der
nicht selten die Hauptsache, die Ueberzeugung
fehlt), da sein idealisirter Katholicismus selbst
nur ein Gemisch von christlichem und heidni«
schem Glauben und Aberglauben, von posi»
tiver Religion und phantastischen Ertra«
vaganzen war; neben einer christlich demüthi.
gen Ergebung in den als höher und besser
erkannten Nathschluß Gottes lag eine brutale
Erlahmung menschlicher Willenskraft vor
einer selbstgeschaffenen fatalistisch despotischen
Weltordnung, nach welcher die Schuld auch
an der Unschuld gerächt wird, gleichsam nur
um ein Erempel überirdischer Machtvoll»
kommenheit zu statuiren. Mit dieser Ansicht,
die namentlich im „Vierundzwanziasten Fe«
bruar" beleidigend (!) Heroortritt, schuf Wer»
ner die Caricatur der Säncksalstragädie, die
erst recht zu spuken begann, als Werner
selbst bereits verschollen war." — Rudolf
Gottschall über Zacharias Werner.
„Werner's wechselnd,.' Lebensverhältnisse spie»
geln sich in seinen Werken und bilden ziem»
lich scharfe Einschnitte in seine Entwicklung,
die zuletzt in vollendete seraphische Poesie
und Gedankenlosigkeit ausartete(?). Werner
hatte ein ursprüngliches dramatisches Talent
von realistischer Tüchtigkeit, die Gabe, Cha-
raktere durch kleine Züge bedeutend hinzu-
stellen, und wußte die scenischen Mittel ebenso
phantajievoll zu beherrschen, wie in gran-
dioser Weise in Anwendung zu bringen. So
war er für die historische Tragödic uortreff«
lich organisirt, umsomehr als auch der
Schwung des Gedankens und Andacht und
Wärme des Gemüths, die Sehnsucht etwas
Geistiges zu gestalten, in ihm lebendig waren.
Aber gerade dieses Brüten des Gemüthes
wurde bei ihm zur dämonischen Macht, die
über seine Vorzüge gespenstisch übergriff, mit
jeoem Stücke mehr in, den Vordergrund trat
und zuletzt in einem Gemisch von Sang und
Klang und phantastischem Bilderwust die
Kraft der dramatischen Gestaltung erstickte...
Weiner hat offenbar von seiner Mutter den
Keim einer Geisteskrankheit geerbt, die bei
ihm nicht vollständig zum Ausbruch gekom»
men ist. aber doch seinem Talente die Spitze
abbrach. Er liebte die epische Malerei selbst
in den Decmationen. Das Gerüst der Wer»
n er'schen Dramen ist in der Regel großartig. jedoch mehr episch breit als dramatisch niet»
und nagelfest. Er läßt stets mehrere Ströme der
Handlung nebeneinander herlaufen, ohne sie
zu einem Hauptstrome zu vereinigen. Es ist
schwer, aus vielen seiner Dramen den eigent«
lichen Helden herauszufinden. Dagegen gibt
es in allen Charakteren, in denen die Schil»
l er'sche sittliche Energie sich zu einer Potenz
erhebt, die an das Karikirte grenzt, Kraft»
menschen, nicht im Sinne der Stürmer uno
Dränger, sondern im Sinne einer an die Bar«
barei grenzenden Strenge der Pflichterfüllung
oder jener titanischen Größe des Strebens. für
welche kein gewöhnlicher Maßstab ausreicht.
In Werner liegt daher die Wurzel, aus der
später die G ra v b e'sche Richtung hervorging.
Durch seine Art und Weise zu charakterisiren
unterscheidet sich indeß Werner wesentlich
von Schil ler, indem er rs liebt, das Nea»
listische herauszukehren und die Naturseite des
Menschlichen so reich zu dotiren, daß sie dem
idealistischen Capitale das Gegengewicht
hält. Bei Schil ler sind die Helden durch
das Feuer der sie bestimmenden Gedanken zu
idealer Menschlichkeit geläutert; ihr erstes
Auftreten schon zeigt das volle Gewicht ihres
Wesens. Werner dagegen baut seine (Hha«
rattere allmälig auf aus einer Menge von
Eigenkeiten, und die geistige Einheit und Be»
deutung der Persönlichkeit schimmert erst
spät durch das festgebaute Gehäuse. DieS
gibt indeß den Gestalten lebendige Wahrheit
und dramatischen Kern, ja eine an Shake»
speare erinnernde humoristische Originalität.
Daher kommt auch in die Werner'schen
Dramen eine frische dramatische Vewegung.
ein anschauliches Leben, eine Fülle von Ne«
gebenheiten, die allerdings nicht immer
Thaten sind. denen auch die straffe, drama-
tische Einheit fehlt, die aber doch durch wirk«
same Bilder und Gruppen erfreuen. Die
theatralische Drapirung der Nerner'schen
Tragödien übertrifft an Glanz und Pomp
noch d^e Schilt e r'sche. Man denke nur an
die Ausstattung des Templerordens und an
die mystische Macht seiner Mysterien, an die
geheimnißoollen Sitzungen der „Söhne des
Thales", an den Reichstag zu Worms und
an die Scenen der Bilderstürmer im „Luther",
an die polnische Hochzeit und die Kampf«
scenen im „Kreuz an der Ostsee", und man
.wird einräumen, daß Werner der deutschen
Bühnenregie im scenischen Arrangement der
Massenbiloer und großer geschichtlicher und
kirchlicher Tableaur. sowie im brillanten Auf»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Band 55
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weninger-Wied
- Band
- 55
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon