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Merner. Zacharias 87 Werner. Zacharias
für dessen literarische und Charakterentwick-
lung. Schon in ihrem Schoße scheint er die
Anlage zu allem Ungestüm, aller Kraft, allem
Gegensatze, aller ungelösten Verwirrung
empfangen zu haben. Sie war höchst begabt
an Kraft des Geistes und des Gemüthes,
konnte ebenfalls die große Begabung nicht im
Gleichgewicht erhalten und verfiel in Gc»
mmhskrankheit. Am 24. Februar starb sie. Es
ist bekannt, daß eine Hauptschöpfung Wev
n e r's, das kurze schauerlich ergreifende Drama,
„Der uierundzwanzigste Februar" hieß, und
daß es zugleich die erste Schicksalstragödie
war, welche so viel andere erweckt hat. Sie
war der letzte Wurf seines erschütterten, aber
noch ausdrucksvollen Talentes. — Ein Nest
überlegener Unbefangenheit, dies echte Zeichen
außerordentlicher Befähigung, soll ihm selbst
in den überspanntesten Lagen seiner Lebenü-
entwicklung geblieben srin. Als bußfertiger
Redemptorist hat er den Humor nicht ein
gebüßt; ja dieser Triumph der Unbefangen«
heit soll auf dem Sterbebette noch lebendig
gewesen sein. — In seinem „Kreuz an der
Ostsee" — Hoffmann hat eine Musik dazu
geschrieben — drängt sich das religiöse Mo<
ment immer stärker, den Dichter selbst unter«
jochender hervor. Als er im Jahre l3l)3 nach
Berlin versetzt war. schreibt er fürs dortige
Theater seinen Luther, „Die Weihe der
Kraft", worin die Reformationsstiftung in
eine auffallend phantastische Mystik versetzt
war. Luther, in diesem Nimbus auf der
Bühne, machte einen durchschlagenden Effect.
— Was Heine einmal beiläufig über Hoff-
mann sagt. wo er dessen Poesie die Poesie
des Fiebers nennt, das kann in weiterer Be»
oeutimg auf diese beiden wilden Nomantiker
ausgedehnt werden. Sie repräsentiren die
Romantik des Fiebers. — Hitzig hat Wer»
ner's Biographie gegeben, und im „Gesell-
schafter" waren 4837 viel Briefe mitgerheilt,
in denen dies Werner'sche Gemisch von
Hast, Unsauderkcit, genialem Dränge und
Unordnung in schlechtem Style auffallend
genug sich darbietet. Werner's Kraft groß-
artiger Charakteristik, großartiger Wendung
im poetischen Bereiche und Ausdrucke wird
aber stets wie der lebensvoll grüne Ast eines
von Wetter und Raupen zerstörten Baumes
mahnen, der auf einem weitsehenden Kirch»
Hofsberge steht." — Nol fgang Menzel
überAacharias Werner. Nachdem M en«
zel die Ausartungen der abergläubigen
Po esie, welche aus der poetischen Wundersucht entsprang, geschildert und
dargelegt, wie selbst ausgezeichnete Dichter,
wieGoetbe. Schil ler, Jean Paul, und
selbst die Tonkünstler, wie Mozart (in
seiner „Zauberflöte") oon ihr eingesponnen
wurden, bemerkt er: daß den höchsten Gipfel
dieser Poesie Werner erreicht habe, der sie
zur tragischen Nürde zu erheben bemüht
war. „Werner", schreibt Menzel. „suchte
diese Erhebung und Veredlung dadurch zu
bewerkstelligen, daß er die Zaubermächte oder
mystischen Gesellschaften, von denen die Lei«
tung und Prüfung der Uneingeweihten ad,
hängen sollte, geradezu in Delegirte Gottes
verwandelte und das ganze Wunderwesen
unter die religiösen Ideen der Vorsehung und
Prädestination brachte. Dieser Mann besaß
poetisches und noch mehr leidenschaftliches
Feuer, aber vielleicht ein zu trockenes Gehirn,
denn wer mag leugnen, daß es ihm ein
wenig angebrannt war. Rettung suchend vor
der im Innern ihn verzehrenden Glut. warf
er sich in jenes Pieer der Gnade, wo der»
gleichen arme Sünder gewöhnlich den irdi«
schen Menschen ablegen, um den himmlischen
anzuziehen. In seiner tiefsten Zerknirschung
galt dem Dichter jetzt der Wahlspruch der
Frommen: „C'igene Gerechtigkeit ist vor Gott
ein scheußlich Meid'." in seiner ganzen Härte.
Er erkannte, daß eigene That und Tugend
eitel sei. daß der Mensch willenlos und blind
den Schluß des Verhängnisses vollziehe, daß
er zu allem selnem Thun und Leiden prä»
destinirt sei. Alle seine Gedichte verkündigen
diese Lehre. Seine Helden werden am Gängel»
bände des Verhängnisses in das helle Reich
von „Azur und Licht" oder in das dunkle
von „Nacht und Glut" geführt. Gne mystische
Gesellschaft übernimmt die irdische Leitung,
und man kann darin ein Aualogon der hierar'
chischen Tribunale nicht verkennen. Jene
„Söhne des Thales", jene mystischen Alten
bilden bald eine heilige Vehme. bald unter
einem allerheiligsten Nettesten ein Inquisi«
tionSgericht. und dieser Alte vom Thal und
Berge kann wie der Großinquisitor in Schi!»
ler's „Don Carlos" von dem Helden der
Tragödie jedesmal sagm: „Sein öeben liegt
angefangen und beschlossen in der Santa Haia
heiligen Registern. Die Helden sind von Ge»
burt aus zu dem bestimmt, was sie thun und
leiden müssen. Die einen sind Sonntags«
kinder, geborene Engel, die nach einigen
Theaterpossen, nachdem sie wie Tamino dmchs
Feuer und Wasser gegangen sind, wohl»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Band 55
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weninger-Wied
- Band
- 55
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon