Seite - 142 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Weninger-Wied, Band 55
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Wesseli'nyi, Nicolmis (Vater) j 42 i^ Nicolans (Vater)
Wesse l6ny i ertönte, und der Präsident,
dem sich nur immer dräuender erheben«
den Lärm der Versammlung sich fügend,
die Saalthür zu schließen befahl, erhob
sich der eigentliche Führer der Opposi
tion, Tury und begann mit durch
dringender bewegter Stimme: „Wie!
soll in Wesselänyi die Redefreiheit an
getastet werden? — Wer wird dann noch
dieses unser schönstes Recht schützen?
Wer wird fürder noch sicher sein in
diesem Hause?". Das schlichte Play-
doyer für den Angeklagten war uon
mächtiger Wirkung; die Gemüther be-
sänftigten sich mit einem Schlage, die
Saalthüren öffneten sich wie von selbst,
und das Disciplinarverfahren hatte ein
(5nde. — Im zweiten noch flagranteren
Falle bannte Wessel6nyi selbst durch
die Gewalt, die er im entscheidenden
Augenblicke über sich gewann, den
Sturm, den cr freilich auch selbst her-
aufbeschworen. Er hatte wieder die Re-
gierungspartei in maßloser Weise ange»
griffen, und da seine Geißelhiebe auf
die Angegriffenen immer schonungsloser
niedersausten, ließ sich der Präsident zu
der Bemerkung hinreißen, ob er denn die
Jahre, die er ferne von Siebenbürgen
zugebracht, vergessen habe? Auf diese,
wenngleich durch den heftigen Angriff
We sselönyi's hervorgerufene, aber
unter allen Umständen tactlose Anspie-
lung auf dessen unfreiwilligen Aufenthalt
in der Festung Kufstein trat ein momen-
taner Stillstand in den Verhandlungen
ein — es war, als wäre die ganze Ver-
sammlung erstarrt über ein solches Wag-
niß gegenüber einem Manne von der Ge»
müthsart Wesselenyi's. Wie ein vom
Pfeil getroffener Löwe fuhr dieser in die
Höhe, die wuchtige Faust faßte krampf-
haft den Griff des Säbels und tödtlichen
Grimm im Blicke stürmte er, Alles vor sich bei Seite schiebend, von seinem Sitze,
geradewegs auf die Estrade des Präsi-
denten zu. Die Stille tiefster Bestür-
znng über das Geschehene herrschte im
Saale, Niemand wagte auch nur aufzu.
blicken, im sprachlosen Entsetzen harrten
die Abgeordneten der nahenden Kata»
strophe. Den Präsidenten selbst erfaßte
ein nicht gelindes Grauen, unwillkürlich
wich er uor dem hereinstürmenden er»
grimmten Feind zurück, und als derselbe
bei ihm anlangt, hatte er sich bereits —
ein Bild des Entsetzens — hinter dem
Präsidentenstuhle verschanzt. Zornsprü-
henden Blickes stand nun Wesselenyi
vor ihm. Lautlos war es im Saale, man
hätte die Pulsschläge der Anwesenden
hören können. Da hub er mit wüth-
erstickter Stimme an, während er die
Linke auf die Schultern des Beleidigers
legte: „Gnaden Herr Präsident'. Hab'
den Sinn Eurer Worte verstanden; doch
merk' es sich der Herr Präsident: Kaiser
Joseph hat mich wohl leiden ge>
lehrt, doch — fürchten nicht!".
Die letzten Worte glichen einem Donner-
schlag, der die Herzen aller Anwesenden
erbeben machte' eine brausende Beifalls«
salve löste sich von der Brust der ver«
sammelten Stände; das tief und unzart
verletzte Mitglied hatte die glänzendste
Anerkennung und Genugthuung gefun«
den. Die angeführten zwei Charakterzüge
kennzeichnen ganz den Freiherrn. Wir
haben nun Wesselenyi den Men»
schen und Parlamentarier kennen
gelernt, und man sollte kaum glauben,
daß dieser Mann auch die Rolle des
Mäcens nicht spielt-, sondern wirklich
ausübte. Und dies ist thatsächlich der
Fall. Adolf Dur in seinen literatur- und
culturgeschichtlichen Studien „Aus Un»
gärn" schildert uns in seinem umfassen«
den Essay „Entwicklung des Theaters in
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Band 55
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weninger-Wied
- Band
- 55
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon