Seite - 165 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Weninger-Wied, Band 55
Bild der Seite - 165 -
Text der Seite - 165 -
Melfenberg-Ampringen 166 Wellenberg-Ampringen
mehr, da es eine Partei gab, die noch
immer gern Zwang und Dunkel den Völ
kern gegenüber angewandt wissen wollte,
So machte denn auch seine wiewohl be>
dingte Vertheidigung der Preßfreiheit
noch mehr aber der Artikel 13 wegen der
landstandischen Verfassung ihn semer
Gegenpartei im höchsten Grade miß
liebig, und es war auch vorauszusehen
daß ohne bittere Noth schwerlich mehr
von ihm die Rede sein dürste. Aber diese
Noth trat ein, und der Nachhall der
Iulikanonen von 1830 rief unseren Di
plomaten aus dem Stillleben wiederum
in den activen Dienst des Kaiserstaates.
Die Brüsseler August Revolution in ihren
Folgen hatte den Gesandtschaftsposten
im Haag zu einem momentan äußerst
wicktigen gemacht. Wessenberg erhielt
denselben im September genannten
Jahres und fuhr bald darauf über den
Canal, um als Oesterreichs zweiter Re-
prasentant an den Londoner Conferenzen
Theil zu nehmen. Neben Palmerston,
Tal leyrand und Matuszewicz ver«
handelte er, aber er sollte seine Aufgabe
nicht zu Ende bringen. Seine An»
schauungsweise der Sachlage stimmte
nicht vollkommen mit der in Wien Herr»
sehenden überein. Man warf ihm vor, mit
der Unterzeichnung eines gewissen auf
die Regelung der Verhaltnffe zwischen
Belgien und Holland sich beziehenden
Protokolls seine Instruction überschritten
zu haben. Er kehrte also 1831 frühzeitig
wieder in sein Stillleben nach Freiburg
zurück. Dahin folgte ihm die Freund«
schaft des Königs der Belgier, welcher
mit ihm einen Briefwechsel unterhielt,
dem nur der Tod ein Ende bereiten
konnte. So lebte Wessenberg viele
und glückliche Jahre des Alters, beschaf.
tigt mit Besorgung seiner häuslichen
Angelegenheiten, einer ausgedehnten Cor«
5 respondenz, mit Wohlthun, mit schrift-
Menschen Arbeiten, mit Unterhaltungen
in kleinen, aber gewählten Kreisen. So er-
reichte er das 73. Jahr, als 1848 die
Februartage in Paris kamen und ihnen
die Märztage in Wien folgten. Ihm siel
nun im Greisenatter die undankbare
Rolle zu, der Nachfolger Ficquel»
mont's im äußeren Amte Oesterreichs
zu werden. Wie verkommen die österrei»
chische Presse in ihrer erst gewordenen
Freiheit eben war, zeigte sich in den
ebenso ungerechten als pöbelhaften An»
griffen auf den greisen Diplomaten, von
dessen Vorleben sie auch keine Ahnung
hatte. Man vergaß in dem damaligen
Chaos ganz, daß nur die Liebe für den
Kaiserstaat und dessen erhabenes Re>
gentenhaus den Greis zu bestimmen ver«
mochte, die Muße eines ungetrübten, an
geistigen Genüssen reichen Privatlebens
mit der Dornenkrone eines Ministerpräfi'
deuten und Ministers des Auswärtigen
zu vertauschen und damit wohl den
größten Fehler seines langen Lebens zu
begehen, und zwar mit klarem Bewußt«
sein. Die bisherigen Versuche, Wessen-
berg's Lage und Wirken wahrend der
wenigen Monate des Jahres 1848 zu
schildern, in welchem er das Staatsschiff
im tobendsten Sturme aufrecht zu halten
und einem sicheren Hafen zuzusteuern
trachtete, sind wegen des Mangels an
authentischen Materialien gescheitert. Er
selbst hat sehr schätzbares Material mit
den weiter zu erwähnenden Briefen an
Isford.ink-Kostnih geliefert. Daß er
die Erwartungen der Revolution nicht
befriedigte, begreift sich um so leichter, als
er ja nach Kräften gegen dieselbe wirkte
und nur mit knapper Noth dem Schicksale,
„latomisirt" zu werden, entging. I n
höheren Regionen soll er die Ueberzeu-
gung geltend gemacht haben: die beste
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Band 55
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Weninger-Wied
- Band
- 55
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon