Seite - 55 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Wiedemann-Windisch, Band 56
Bild der Seite - 55 -
Text der Seite - 55 -
Mieser, Joseph Mieser, Joseph
13. Jänner 1834 die Priesterweihe. I n
der Seelsorge thätig, wurde er zuletzt,
22. Jänner 1873, infulirter Propst des
Collegiatstiftes in Bozen und Stadt-
pfarrer daselbst, zugleich Dechant des
Bozener Decanates und Schuldistricts'
aufseher. 1878 wählten ihn die geist-
lichen Corporationen Tirols in den Land-
tag und 1879 in den Reichsrath, in wel>
chem er zu den Mitgliedern der Rechts-
partei zählt. Im Landtage und Reichs-
rathe erscheint er als der streng clericale
Vertreter seiner Partei, welche in Tirol
die Oberhand behauptet. Aber weniger
in dieser Richtung, in welcher es ihm nach
der ihm zustehenden freien Meinungs-
außerung gestattet ist, seinen Parteistand-
punkt zu behaupten, wenn das politische
Glaubensbekenntnis seiner Partei auch
Anderen mißliebig erscheint, weniger in
dieser Richtung, denn durch seine Unduld-
samkeit als Priester und in seiner privat-
rechtlichen Stellungnahme als österrei-
chischer Staatsbürger, der er auch im
Priestergewande bleibt, ist sein Name
schon öfter genannt worden. Im Früh-
jähr 1878 starb auf der Durchreise in
Bozen ein sächsischer Officier protestan»
tischer Confession, zu dessen Beerdigung
auf dem dortigen katholischen Friedhofe
der Prediger der evangelischen Gemeinde
aus Meran herbeigerufen wurde. Als
dieser jedoch mit der Leiche vor der Fried»
Hofspforte erschien, verweigerte ihm
Propst Wieser den Eintritt, der erst
durch die Dazwischenkunft und das Ein»
schreiten der städtischen Behörde für die
Leiche, nicht aber für den evangelischen
Prediger erlangt werden konnte. Wieder-
holte Beschwerden des Propstes gegen
den Magistrat von Bozen zunächst bei
der Statthalterei in Innsbruck, dann
bei dem Ministerium in Wien wurden als
unbegründet entschieden zurückgewiesen und dem Propste die für dergleichen Fälle
erlassenen und in Kraft stehenden Gesetze
in Erinnerung gebracht. Die statthalter-
liche und ministerielle Zurechtweisung ge-
nügte jedoch dein Propste nicht, er brachte
seine Beschwerde an die höchste Berufs-
instanz des Reiches, an den k. k. Verwal-
tungsgerichtshof, der ihn ebenfalls zurück-
und auf die Pflicht, den Slaatsgesetzen
Folge zu leisten, hinwies. Ungeachtet
dessen verhielt er sich in gleich intoleran-
ter und gegen die Gesetze verstoßender
Weise einige Monate später, als am
7. Februar 1875) die Leiche einer prote»
stantischen Frau durch den evangelischen
Prediger aus Meran auf dem katholischen
Friedhofe in Bozen bestattet werden
sollte. Eä bedürfte wieder der Dazwischen»
kunft eines Magistratsrathes, der dem
Propste sagen ließ, diese fruchtlosen De-
monstrationen zu unterlassen, widrigen^
falls er die Folgen zu tragen haben
werde. Diese Erklärung und das ernste
und würdige Verhalten der Menge,
welche diesen unliebsamen Scenen bei»
wohnte, still die Dinge erwartend,
die da kommen würden, wirkten inso«
weit, daß dem nahenden Leichenzuge der
unbeanstandete Eintritt in den Friedhof
gewährt wurde, auf welchem dann die
Bestattung ordnungsmäßig vor sich ging.
Aber nicht nur in seiner gegen die Gesetze
verstoßenden I n t o l e r a n z gibt der
Propst ein des Priesters der Kirche un-
würdiges Beispiel; er geht noch weiter,
indem er durch das Gesetz sanctionirte
Abgaben verweigert. Seit dem Jahre
1874 sind die höheren Geistlichen, die
Cardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Pröpste
u. s. w., in Oesterreich durch das Gesetz
verpflichtet, aus ihren reich dotirten
Pfründen einige Procent zu dem söge»
nannten Religionsfond zu steuern, wel-
cher zu einer Erhöhung des Gehaltes der
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Band 56
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Wiedemann-Windisch
- Band
- 56
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon