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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Wiedemann-Windisch, Band 56
Seite - 105 -
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Milbrandt <0ö Mildrandt Wilbrandt den Poeten ist zur Zeit noch unstatthaft, da er, in der Vollkraft seiner Jahre stehend, eben daran geht, neue Werke seines Genius zu schaffen. Was er aber bisher geboten, berechtigt ihn zu einem der ersten Plätze auf dem deutschen Parnaß der Gegenwart. Als Literator ist er gründlich, erfaßt den Gegenstand seiner Forschung, der stets nur auf einen ihm sympathischen, viel- leicht geistesverwandten Gegenstand, wie Kleist und Hölder l in, fallt, mit dem ganzen Eifer und der vollen Liebe des Literarhistorikers und wirft auf denselben neue Lichter. Als Novellist verräth er einigermaßen die Schule Heyse's, seines Münchener Meisters, der in diesem Ge- biete unübertroffen ist; als Dramatiker aber, sowohl im Lustspiele als in der Tragödie, scheint er im eigentlichen Elemente sich zu befinden. Sämmtliche Werke tragen das deutliche Gepräge einer bedeutenden dichterischen Kraft, die ebensowohl in der Anlage des Ganzen als im Aufbau der einzelnen Scenen durch einfache Größe zu wirken versteht. Vielleicht, daß er in seinen letzten Stücken ein und das andere Mal sich verleiten ließ, dem Effecte eine Stelle einzuräumen, deren Fehlen dem poetischen Werthe des Ganzen wohl kaum einen Abbruch ge- than haben würde. Jedenfalls ist er aber als Poet noch in der Vollkraft seines Schaffens, und ist es bei den genialen Keimen, die in seiner Seele schlummern, gar nicht abzusehen, mit welchen Klei- nodien seiner Muse er die deutsche Bühne und Literatur noch bereichern werde. Bemerkenswerth erscheint uns aber fol- gender Ausspruch eines Biographen Ni l - brandt's, Wilhelm Goldbaum's: „Wilbrandt ist als Dichter schlechthin eine Individualität; man kann ihn an keinem anderen Poeten messen. Hätte er vor zweihundert Jahren gelebt, so wäre er vielleicht ein alchymistischer Professor in Helmstädt oder Ingolstadt gewesen; da er in unserer Zeit lebt, hantirt er statt mit dem Schmelztiegel mit dem Zauber» stabe der Poesie, mit dem er Gestalten schafft, an welchen die Wirklichkeit viel» leicht zu geringen, die Phantasie häufig einen zu großen Antheil hat. Was Hans Makart für die Malerei, das ist — nur in unendlich vertiefterem Sinne — Adolf Wilbrandt für die Poesie unserer Tage. Sie sind Beide die echten Söhne dieser farbentrunkenen, in allen ihren Sinnen aufgewühlten Zeit, der Maler der sieben Todsünden, wie der Dichter der Meffalina." Ist es also nicht an der Zeit, über den Poeten Wi l ' brandt ein Endurtheil zu fällen, so stellt sich doch einem solchen über den mehrjährigen Leiter der ersten deutschen Schaubühne kein Umstand entgegen. Mit dem Bestreben, durch zielbewußtes redliches Wirken die Gunst des Publi» cums zu gewinnen, betrat Wilbrandt seinen Posten; aber ihm fehlte die Bru» talität Laube's, die rücksichtslos schal» tete und waltete und nicht selten Un- muth unter Jenen erregte, die ihm eben zu Diensten sein sollten; ihm fehlte die Ränkesucht Dingelstedt's, dem das Kunstinstitut in zweiter, vielleicht dritter Linie stand, wenn es sein eigenstes In- tereffe galt, das er zielbewußt auch er> reichte. Wilbrandt war human, eine naive Künstlerseele, er w o l l t e die grellen Farben, womit die Bretter und Leinwanden, welche die Welt bedeuten, übertüncht sind, nicht sehen; er schloß, um sich über die Kleckse und die ausgegossenen Farbentöpfe hinwegzutäuschen, mit Ab- sicht die Augen. Wenn es dann manch» mal nicht klappte, war es gerade nicht zu wundern, was jedoch überhaupt nur
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Wiedemann-Windisch, Band 56
Titel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Untertitel
Wiedemann-Windisch
Band
56
Autor
Constant von Wurzbach
Verlag
Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
Ort
Wien
Datum
1888
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
13.41 x 21.45 cm
Seiten
340
Schlagwörter
Biographien, Lebensskizzen
Kategorien
Lexika Wurzbach-Lexikon
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