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Wildauer, Mathilde 132 Wildauer, Mathilde
über die Debütantin gebalten, wird wohl
kaum zu bezweifeln sein. Dieser ersten
Probe folgte am 23. Mai eine zweite in
der Rolle des S uschens in Clauren's
„Bräutigam aus Mexico" und am
14. Juni eine dritte in der Rolle der
Gur l i in Kotzebue's „Indianer in
England". Das waren damals die Prüf»
steine der «Naiven", wie es heutzutage
etwa Stücke von Grandjeau oder
Schlesinger. Puttl i tz oder Wichert
sein dürften. Die Proben sielen glänzend
ans, die äußere Erscheinung der „Nai-
ven" war ungemein ansprechend, das
Talent des jungen Madchens ebenso un^
bestritten, wie ungewöhnlich und durch
jene Beigaben der Mutter Natur unter-
stützt, die einen sicheren Erfolg auf dem
Pfade der dramatischen Kunst erwarten
ließen. So wurde sie denn, noch sehr
jung, wenn auch nicht im Alter von
14 Jahren, wie die Biographen schrei«
ben, Mitglied der ersten deutschen Bühne,
welche das Wiener Nurgtheater damals
war und heute noch ist. Nur war der
Pfad, den sie vorerst auf den Brettern
der Hofbühne zu wandeln hatte, nicht
eben mit Rosen bestreut. Das hübsche
Gesichtchen hatte ihr wohl den Zutritt in
den Tempel der Kunst ermöglicht, ja
erleichtert, aber nun gab es schwere
Stunden: denn nach den drei beifallig
aufgenommenen Debutrollen mußte sie
sich zu Anmelderollen aus dem höheren
Statiftenthum bequemen, erst nach und
nach schwang sie sich zu Lustspielzofen
dritten Ranges empor. Dann bekam sie
eine Reihe jener still duldenden und
wenig redenden zweiten Liebhaberinen
zugetheilt, welche einige Zeit in oramati>
schen Werken eine stehende Figur bil-
deren; und erst ziemlich spät gelangte sie
in den Besitz einiger ersten Soubretten»
rollen, welcbe dann ihr eigentliches Fach ausmachten, wie z. B. Sabine in „Ich
bleibe ledig", Mariette in „Fräulein
Belle Isle", Mar ion in „Liebe nach
der Hockzeit", Francisca in „Kunst
und Natur", welchen sich noch einige
chargirt naive Rollen, wie Polyrena in
„Kunst und Natur" von Albini , dann
Katharina in Shakespeare's: „Der
Widerspanstigen Zähmung" und die feine
von ihr mit unnachahmlicher Grazie ge-
spielte Friederike in Bauernfeld's
„Leichtsinn aus Liebe" anreihten. So
spielte sie nun auf dem Burgtheater
sechzehn Jahre hindurch und behauptete
sich neben einer Künstlerin, wie Luise
Neu mann und später die Goß mann.
Dabei spielte sie aber nicht bloß auf der
Bühne, sondern auch in der Gesellschaft
eine bevorzugte vielbesprochene Rolle.
Ein inniges Freundschaftsband knüpfte
l sie an den Dialektdichter und Lieder-
compositeur Alexander B a u m a n n
I M . I, S. 189^, dessen Haus sie theilte,
und der für sie die Rolle schrieb, welche
ihre berühmteste geworden, das Nan-
der l in „Das Versprechen hinterm
Herd", welches Stück sich auch von
Baumann's dramatischen Arbeiten bis
heutigen Tages auf der Bühne erhalten
hat. Worin die Eigenthümlichkeit, der
fesselnde Reiz dieser Darstellerin lag, das
hat Laube in seinen so lehr- und genuß»
reichen Berichten über das Wiener Burg»
theater gesagt, welche anfänglich als
Feuilletons in der „Neuen Freien Preffe"
und dann gesammelt in einem starken
Bande erschienen sind. „Ich fand am
Burgtheater", schreibt Laube , „ein
weibliches Talent ersten Ranges und
freute mich königlich auf dessen mannig'
fache Entwickelung, welche mir vor Augen
sckwebte. Es hieß M a t h i l d e W i l-
dauer. Herkömmlich war sie lange in
ausdruckslosen Liebhaberinen hingehalten
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Band 56
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Wiedemann-Windisch
- Band
- 56
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon