Seite - 133 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Wiedemann-Windisch, Band 56
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Mildauer, Mathilde 133 Mildauer, Mathilde
worden, ihr Talent für komische Charak«
teristik war aber endlich doch durch'
gebrochen. I n einem localen Vaudeville
namentlich, also in einer für das Burg°
theater ungesetzlichen Gattung, in „Das
Versprechen hinterm Herd", hatte die
Wildauer eine Darstellungskraft nieder»
landischen Genres entwickelt, welche auf
dem ganzen deutschen Theater nicht
ihresgleichen hatte. Jedermann mußte
diese Leistung classisch nennen. Auf
diesem Grund erbaute ich meine Schlös»
fer, welche Wi ld au er heißen sollten.
Rollen, die ich ihr gab, wie die Katha-
rina in der „Widerspänstigen", wie das
Kammermädchen in der „Mörder»
grübe", bestätigten nach verschiedenen
Seiten meine Hoffnungen vollständig'
es stand ein kraftiges Talent vor uns
von echtestem, gesundestem Ursprung, eine
künstlerische Kraft von weit aussehender
Dauer, ^>enn es zeigte sich von so unbe»
fangenem Sinne in Bezug auf äußere
Erscheinung, es kleidete sich als „Nandl"
so unbekümmert um modischen Reiz, daß
die Laufbahn ins Fach der komischen
Alten ausgesteckt vor uns lag, wie
Signcilstangen über Feld und Wald die
Richtung einer Eisenbahn bezeichnen.
Die charakteristischen Farben, welche sie
wählte, waren wohl noch etwas zu
gleichartig. Trotz, brüskes Schmollen,
trockene Ironie, Zurückziehen der komi»
schen Wirkung in einen engen Verstandes-
Winkel kehrten noch ein wenig stereotyp
wieder, aber als Farben selbst waren sie
sehr tüchtig, und die Wildauer war
von gewecktestem künstlerischen Verstande:
einmal in die Schaffung solcher Charab
tere consequent eingeführt, hätte sie ohne
Zweifel neue Farben und eine neue Mi>
schung derselben zu Stande gebracht.
Ich bin gründlich überzeugt, daß eine
classische Kraft und alles Zeug zu einer classischen Künstlerin in ihr vorhanden
war. Und sie wurde uns entzogen, wurde
sich entzogen durch eine Liebschaft mit
der — Musica. Die Wi ld au er wollte
durchaus singen. Leider konnte sie es
auch, und leider that ihr meine Behörde,
welche auch die Behörde des Opern»
theaters war, allen Willen. Ich mockte
einsprechen, so viel ich wollte, ich mochte
beweisen, so oft.ich wollte, daß man nicht
zwei Herren dienen könne, daß ihr
großes Talent für die Burg verloren
ginge, ohne daß wahrscheinlich etwas
Gleichbedeutendes für die Oper entstünde
— ich wurde abgewiesen." So Laube,
und dieser scharfe Kritiker und Menschen»
kenner hatte Recht, in Allem Reckt, nur
nicht in zwei Sachen: nämlich daß sie
für die Oper nicht die Bedeutung ge«
winnen würde, wie für die Burg, und
daß er glaubte, ein weibliches Wesen wie
dieWildauer werde sich nicht mit Hän-
den und Füßen sträuben, ins ältere Facb
überzugehen, wenn sie einen Ausweg
sah, diesem Uebel zu entrinnen. Die Nil»
dauer war in der Oper nicht minder'
vorzüglich als im Lustspiel, und die
Stimme hält länger vor als die übrige
äußere Erscheinung, und eine Diva mit
einer schönen schulgeübten Stimme kann
noch lange erste Partien singen, wenn
die Schauspielerin langst ins ältere
Fach hat übertreten müssen. Erscheinun-
gen wie Charlotte Wolter sind denn
doch nur höchst seltene Ausnahmen. Und
das wußte die Wildauer, und darum
traf sie zur Zeit ihre Anstalten danach;
seit i8»0 gehörte sie beiden ersten Wiener
Kunftinstituten. dem Burgtheater und
der Hofoper, an; in der That aber stand
sie immer seltener unter den Koryphäen
der alten Garde des Burgtheaters und
glänzte nur desto mehr unter den Ster-
nen der Hofoper. Ihre Thätigkeit an der
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Band 56
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Wiedemann-Windisch
- Band
- 56
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon