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Mindisch-Vrätz, Alfred Candid Z7 Mmdilch-Grätz, Alfted Candid
> schweigen übergeben oan. Bei de:u bestän-
digen Andringen um Verstärkungen für
Italien hatte der Kriegöininister in kurzen
Zeiträumen in sehr bestimmten Aufdrücken,
zulekt sogar mit Hindeutung aur versonliche
Verantwortung, angewiesen, die im böhmischen
Generalat entbehrlichen Truppen unverweilt
an den Isonzo zu senden. Wind isch'Gratz
glaubte dieser Aufforderung keine Folge geben
zu dürfen, in der sicheren Ueberzeugung, daß
man dieser 10,UW Mann Kerntruppen bald
in der Nähe benötdigen würde. Und er hatte
Recht. Mit ihnen eilte er. auf die erste Nach-
richt von den Ereignissen deö 6. Octobers.
vor Wien und nahm das Corps oes Banus
auf. Hätte aber der Fürst nicht die Revolu-
tion in Prag und Wien niedergeworfen, so
würde die Empörung bald die gesammte
Monarchie ergriffen und die Armee in Italien
in eine sehr bedenkliche 2age versetzt haben.
Selbe hätte auf alle Verstärkungen und Zu«
schübe aus dem Innern gänzlich verzichten
und sozusagen isolirt, mitten in einem
empörten Land einen treulosen Feind be-
kämpfen müssen. Ob sodann noch ein aus-
giebiger Erfolg möglich gewesen wäre, läßt
sich freilich jetzt nur sehr schwer entscheiden.
Gewiß ist es aber, daß. falls Fürst Win°
disch-Grätz den so peremptorischen Be-
fehlen Iatour's entsprochen haben würde,
eine Wiederherstellung der gesetzlichen Ord«
nung fast illusorisch blieb. Dre revolutionäre
Presse jener Zeit hat den ritterlichen und
edlen Fürsten als zweiten Alba hingestellt,
lind dennoch behandelte dieser große Mann
ganz so wie sein Waffenbruder Radeyky
auch die Kaiscrstadt mit gleicher Milde und
Nachsicht." — Und der deutsche Soldat (Ge-
neral der Cavallerie) Graf St Quentin
sagt in seinem Buche „Unsere Armee" (Wien
1830. Gerold) S. 20 über den Feldmqrschall
W i n d i s ch
- G r ä tz : „Allerdings waren
Persönlichkeiten, große, unsterbliche Namen,
an denen sich unser Muth und unsere Hoff«
nung im Süden und Norden unseres Vater-
landes aufrichtete. Es war das herrliche Wir
(Windisch'Grätz. Ielaail. '. Nadetzkn),
der We ritterliche Charakter in Böhmen, der
Erste, der die Soldatenehre in jener rath»
losen Zeit festzuhalten wußte" u. s. w. — Wir
führen hier ferner noch einige bekannte Histo-
riker an, so schreibt Dr. Georg Weber, ein
Liberaler, dem man wahrlich keine Vorein«
genolwnenheit für Oesterreich und dessen
Heerführr vorwerfen kann, in seiner „Welt- geschichte" Bo,, XV, 3 :'.«5i« anläßlich der
Vösiegung der Pra^-r ^,'volution: „D>2
hecken erbielten aber ourcu eine blutige, mit
der Besäueßung der 3:adt ^rou^ene Ni?5?t>
läge von de:u energisch^ Fürft>.'^ W indisch-
Gral;,, dessen Gemalin bei dem Aufstande
ihren Tod gefunden, die derbe Lehre, daß
Oesterreichs Macht und Größe noch uner»
schultert sei," — Und aus demselben Anlasse
schreibt Nolfgang Menze! in seiner ,M»
„schichte Europas vom Sturze Napoleons bis
auf die Gegenwart ll»l«^-l856^' (Stuttgart
1857, Krabbe) Bo, I I , S, 232: „Das war
der erste Sieg über die Revolution in Oester«
reich, zwar nur local. aber von unermeß'
lickem moralischen Erfolge. Seine Bedeu^
tung für Deutschland lag darin, daß er
bewieä. wenn sich Oesierrelck nicht selber
helfe, werde es uon Deutschland, namentlich
uon Frankfurt her, keine Hilfe erhalten." — Und
ein inländischer Gefchichtsschreiber, Vr. Her»
mann Mennert. sagt im SupplementbandL
seiner „Geschichte Oesterreichs" (Wien l363,
bei Gerold) S. 36?, wie folgt: „Zum ersten
Male feit den verhängnisvollen Mäi-zwgm
hatte die Empörung eine vollständige Nieder«
läge erlitten; Fürst Windisch«Grätz hatte
in einfachster Weise das Geheimniß aufgedeckt,
auf welche Weise sie zu besiegen sei, nämlich
dadurch, daß man ihr Stand hielt und nicht
vor ihr floh. Mit Römergröße die Ermordung
seiner Gemalin. die Verwundung seines
Sohnes tragend, ohne Zorn und Rachegefühl,
der Schwerstbeleidigte und zugleich dcr Ver«
söhnlichste, hatte er durch ruhige Kraft den
Aufstand entwaffnet und dann durch scho,
nendes Wohlwollen oi? erregten Gemüther
besänftigt. Aber die deutsche Demokratie
gerieth über die Schlappe, die sie erhalten,
in maßlosen Zorn. und da idr kein anderes
Mittel übrig blieb, so erschöpfte sie sich in
grimmigen Lügen über des Fürsten Win«
disch«Grätz Grausamkeit und Blutdurst
und nahm, gleich einem geschlagenen 3chu!«
knaben. ihre Zuflucht zu dem feigen Mittel,
ihren Besieger zu veroäcktigen und zu ver»
klagen. Eine kleine Lectimi würde die deutsch-
demokratische Partei in Wien den Pragern
wahrscheinlich gegönnt haben; aber über eine
totale Niederlage Prags erschrak sie denn
doch. denn das Bild einer über die Empö»
rung siegreichen gesetzlichen Gewalt war der
Demokratie unter allen Umständen ein Gräuel;
sie hatte Prags Demüthigung gerne gesehen,
wenn nur nicht auf der anderen Seite der
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Band 57
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Windisch-Wolf
- Band
- 57
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 334
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon