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wegzusetzen, "durch den Antrag, den e
i?98 dem versammelten Friedenscongreß
zu Rastadt mochte. Der Inhalt diesei
französisch geschriebenen Denkschrift be
stand darin, daß sich der Graf zur Ab
fassung einer höchst vollkommenen Theorie
der Gesetzgebung, so zwar, daß die
sehe über allen Streit erhaben wären,
anheischig machte. Aus des Grafen
Win^isch'Grätz Schriften leuchtet vor
Allem ein durch und durch redliches
Streben nach Wahrheit und ein von so
vielen seiner Zeitgenossen frei unabhän-
giges Urtheil. Von der Unhaltbarkeit
der socialen und politischen Zustände
seiner Zeitepoche überzeugt, forschte er
mit warmem Herzen unermüdlich nach
einer möglichen Abhilfe. Ohne Rückficht
auf den Beifall der Menge und die Gunst
der Machthaber jener Zeit bekämpfte er
die Wege, die von unten und oben ver«
folgt wurden. Obwohl in seiner Jugend
in nahen perftnlichen Beziehungen zu
Kaiser Joseph I I . gestanden, s«lgte
sich der Graf später gänzlich von ihm
los, da er deffen rücksichtsloser Reform-
thätigkeit im Grundsatze abhold war. Er
mied von da an den Hof und war trotz
öfterer Anwesenheit in Wien nie mehr
zu bewegen, sich dem genannten Mon>
archen vorzustellen.- Die Offenheit des
Charakters, die Selbständigkeit und
abhängigkeit seines Urtheils machten ihn
zum principiellen Gegner aller geheimen
Gesellschaften, die eben damals unter den
verschiedensten Namen üppig wucherten,
und deren Treiben ihm im Innersten seiner
Seele zuwider war. Als endlich eine
kaiserliche Verordnung diesem bedenk-
lichen Treiben entgegentrat, machte der
Graf aus Dankbarkeit für dieses gemein«
nützige Verbot dem Staate eine frei-
willige Schenkung von 30.000 Gulden.
Das Handbillet, mit welchem Kaiser
^ Joseph Niclas 62 Mindisch-Grätz, Joseph Niclas
Franz I I . hiefür dem Spender seine
Anerkennung zum Ausdrucke brachte,
wird noch im Familienarchive aufbewahrt.
Als philosophischer Politiker bedauerte
Graf Joseph Niclas den Ausbruch
und den verderblichen Gang der fran-
zösischen Revolution, allein er erkannte
in ihr größtentheils cine Folge der
Schwäche und Sittenlosigkeit der Bour-
bons und der höheren Gesellschaftskreise
Frankreichs. Als daher um diese Zeit
vom Kaiser Franz eine Aufforderung
an den Adel und die Geldbesitzer zu frei«
willigen Opfern für Kriegszwecke ergeht,
verweigert der Graf für seine Person
jeden Beitrag, zahlt aber für die g?»
'ammten Unterthanen seiner böhmischen
Herrschaften den ausgeschriebenen Kriegs»
Zuschlag. Obgleich Joseph I I . in dem
Grafen Windifch-Grätz einen Gegner
einer Neuerungen sah, so hegte er doch
Ar den selbständigen, ehrenhaften Cha-
rakter dieses Mannes hohe Achtung, und
»erselbe war einer der Wenigen, denen
>er Kaiser eines der nur im Manuscripte
orhandenen 7 Exemplare seines von
hm eigenhändig verfaßten politischen
Testamentes — eines „?at6i- p6c«li.vi"
— eigenhändig zusandte. Gerade die
später und zuletzt gewonnenen bitteren
Erfahrungen J o s e p h s I I . söhnten
diesen Fürsten mit seinen Widersachern
nicht nur aus, sondern stellten dieselben
am Ende seines Lebens höher und
machten erst deren wahren Werth in
seinen Augen geltend. Graf Joseph
Niclas war Oberst-Erblandstallmeister
des Herzogthums Sreiermark und Herr
der Herrschaften St. Peter in der Au,
Gaffenek und Leopoldsdorf in Nieder«
österreich und erbte am 22. April 4781
von den Grafen Losy die Herrschaften
Tachau und Stsknä., sowie Winternitz
mit den Gütern Stienitz, Sluha, Mlads-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Band 57
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Windisch-Wolf
- Band
- 57
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 334
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon