Seite - 145 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Windisch-Wolf, Band 57
Bild der Seite - 145 -
Text der Seite - 145 -
Mitt (Dörring)
zweideutige Sujets nur zu gern ver-
wendet, um gewisse Wirkungen zu er-
zielen, um Hebel in Verhältnissen anzu-
legen, welche in eine oft unlösbare Ver-
wickelung gerathen sind; man hat aber
nie erfahren, daß solche Leute das ver»
fahrene Staatsschiff flott gemacht hätten.
Wit t ist nach Einigen der Sohn eines
Altonaer Kaufmannes, nach Anderen der
eines Roßhändlers aus Holland. Als
seine brave Mutter, eine geborene Eck»
stein, nach der Trennung von dem
etwas unzarten Gatten sich einem Herrn
von Dörr ing, einem dänischen Officier,
antrauen ließ, der auf dem Sterbebette
lag, nahm er den Namen Wit t von
Dörr ing an. Er hatte die Vorberei«
tungsstudien zuerst auf dem Altonaer
Christianeum, dann auf dem Hamburger
Iohanneum gemacht und besuchte darauf
die Hochschulen Kiel und Jena, wo er
durch sein wildes und extremes Gebaren
Aufsehen erregte, bis er als eifriger
Burschenschafter 1818 aus letzterer Uni»
verfitätsstadt ausgewiesen wurde. Die
nächste Ursache dieser Ausweisung war,
daß er sich, um den bekannten Dema-
gogen Fol lenius, der ein revolutio-
näres Gedicht geschrieben hatte, zu retten,
als Verfasser desselben ausgab. Der von
der preußischen Regierung — es war
um die Zeit des durch Sand an Kotze»
bue verübten Mordes und der darauf in
Scene gesetzten Verfolgung der Burschen»
schaften — bereits angeordneten Verhaf«
tung entging er durch die Flucht nach
England, wo er im Herbste 1819 an-
langte. Dort schrieb er über deutsche Zu«
stände Scandalartikel, die er in englischen
Blättern veröffentlichte. So kam er mit
Redacteuren und hochgestellten Männern
in Verbindung und trieb längere Zeit
sein Unwesen, bis ihn Privatverhältniffe
nach Paris riefen, wo er an dem Bruder
v. Wurzbach biygr. Lerikon. Witt lDörring)
seiner Mutter, dem Baron Eckstein,
Generalinspector im Polizeiministerium,
und an dem französischen Iustizminister
rafen de Serre zwei einflußreiche
Gönner besaß. Daselbst waren nach der
Niederdrückung des gewaltsamen Nap o-
leon'schen Regimes, das alle bisherigen
staatlichen und socialen Verhältnisse von
oberst zu unterst gekehrt hatte, alle Ver-
schwörer und geheimen Agenten versam-
melt, und im Kreise derselben fand er
Gelegenheit, mit den verschiedensten poli-
tischen Parteien vielfach zu verkehren,
Kenntniß ihrer Pläne zu gewinnen und
durch Mittheilung derselben an seine
beiden Gönner sich in seiner Weise nützlich
zu machen. Er selbst nennt in den ge-
druckten Aufzeichnungen seiner damaligen
Erlebnisse sein Treiben zu jener Zeit,
das wir einfach ein denunciatorisches
nennen wollen, ein höchst verdammliches.
Im Sommer 1829 traten die deutschen
Revolutionäre durch ihren Agenten, den
schon erwähnten Follenius, in nähere
Beziehung zu den geheimen Verbindun»
gen Frankreichs und Italiens, wobei
Wit t eine vermittelnde Vertrauensperson
spielte, und ihm unter Anderem die Ver«
eitelung des Planes gelang, den König
von Frankreich im Sommer 1820 zu
ermorden. Im Juli 1821 trat er mit
I)r. Joachim de Prat i , einem der vor«
nehmsten Carbonari in der Schweiz,
in Verbindung, der ihm die Mittheilung
machte, daß man nun daran sei. die Re-
volution durch das sogenannte kalte
Eisen (Mord) ins Werk zu setzen. Diese
Verbindung Witt's mit den Häuptern
und anderen Mitgliedern geheimer Ge-
sellschaften, welche damals durch ganz
Europa verzweigt waren, veranlaßte,
daß nach ihm von den Behörden gefahn-
det und auf seinen Kopf ein Preis gesetzt
wurde. Infolge dessen irrte er unter uer-
i. <. Nov. ^
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Band 57
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Windisch-Wolf
- Band
- 57
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 334
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon