Seite - 146 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Windisch-Wolf, Band 57
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Mitt Eörring) 146 Witt (Dörring)
schiedenen Namen und unter allerlei Ver-
kleidungen in Deutschland und in der
Schweiz umher, bis er in Mornex, einem
Törfchen in der Nähe von Genf, am
W. September j82l entdeckt und von
piemontesischen Carabinieri verhaftet
wurde. Nun begann seine Wanderung
von Gefängniß zu Gefängniß, von Ver»
hör zu Verhör. Von Mornex wurde er
nach Bonneville, von da nach Annecy,
dann nach Chambery und zuletzt nach
Turin gebracht. Wenn auch nur die
Hälfte seiner Schilderungen über die
Grausamkeiten, Quälereien, mangelhafte
Verpflegung und sonstiges Ungemach,
das er zu erdulden gehabt, wahr ist, so
war er wirklich bemitleidenswerth. Seine
Verhöre aber, die er zu bestehen hatte,
enthalten reiche Aufschlüsse über das
Geheimbundunwesen, welches die ganze
Polizei Europas in Athem hielt, und
das doch nur immer an einzelnen Faden
gefaßt wurde, während sich der eigentliche
Knäuel der ausgedehnten und wirklich
furchtbaren Verbindung stets der Ent°
deckung zu entziehen wußte. Endlich
nahm seine mit so vielem Ungemach ver»
bundene Haft in Turin ein «Ende, und
im Februar 1822 wurde er an Oester»
reich ausgeliefert und nach Mailand ge-
bracht. Die Schilderungen seiner Haft
in letzterer Stadt, die Zeichnung der
Charaktere Aller, mit denen er in öftere
Berührung kam. und unter welchen
wir Manner finden, die in der Zeit»
geschichte als handelnde und einflußreiche
Personen oft genannt werden, von denen
wir hier beispielsweise einige anführen,
wie Graf Vetter von Lil ienberg
M > I., S. 2 ,M Graf Bubna von
Ltttitz M . I l , S. 483^, Baron Vol-
pini, Baron v. Goehausen, de Mae-
stris, GrafStrassoldo jM.XXIX,
S. 282^j, Graf Botza, Baron Torre- sani von Lanzfeld, Oberst Dahlen,
Graf Gonfaloniere und Salvot t i
Md. XXVII I , S. 139^. ferner die Ent-
hüllungen über das Carbonariunwesen,
welches wie ein Netz die ganze italienische
Halbinsel umgarnt hielt, sind trotz aller
Uebertreibungen, die manchmal wohl
auch in Lügen ausarten, doch interessant,
spannend erzählt und für Polizei- und
richterliche Beamte immer sehr belehrend.
Wit t selbst erscheint als ein ungemein
verschlagener, findiger, mit allen Was-
sern gewaschener Wagehals, der mit ganz
idealen Zügen oft rechte Verbrecher-
bonhomie, mit ehrlichen Absichten abge-
feimte Verschmitztheit verbindet und sich
recht als eine Verschwörergestalt ent-
puppt, wie sie nur durch den albernen
Verfol'gungseifer der Polizei im ersten
Viertel des laufenden Jahrhunderts ge>
zeitigt werden konnte. Während seiner
Mailänder Haft sann cr auf Mittel zur
Flucht, und als alle seine Pläne schei-
terten, schnitt er sich mit einer scharf
zugeschliffenen Lichtscheere — dem ein»,
zigen metallenen Instrumente, das man
hm gelafsm — die Arterien auf. So
wurde er nach starkem Blutverluste be»
sinnungslos gefunden; aber noch kam
rechtzeitig Hilfe und nach langem kranken»
lager erholte er sich. Gndlick gelang ihm
in den letzten Tagen des Jahres !822
durch weibliche Mithilfe die flucht aus
dem Gefängnisse. Nun trieb er sich unter
den verschiedenartigsten Verkleidungen,
als Bedienter, als Meßner, als Eapu-
einer, in Itallen umher, hielt sich dann in
der Schweiz und im südlichen Deutsch-
land verborgen, wurde aber in Baireuth
ertappt und daselbst am 20. Februar
1824 verhaftet. Welche Bedeutung man
ihm als Verschwörer beilegte, erhellt aus
dem Umstände, daß man den Ministerial'
rath von Abel, den nachmaligen Mini-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Band 57
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Windisch-Wolf
- Band
- 57
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 334
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon