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Wolf, Gerfon 286 Gerson
war — glaubte er am Ziele seiner
Wünsche zu stehen, und mit zwölf baren
Gulden Conventionsmünze in der Tasche,
mit den hochfiiegendsten Plänen im Kopfe
und die frohesten Hoffnungen im Herzen,
trat er die Reise an und traf am l<). Oc-
tober in Wien ein. Einer seiner ersten
Wege war zu Prediger Mann hei m er,
an oen er empfohlen war, und der ihn
freundlich und wohlwollend aufnahm.
Von der Nothwendigkeit durchdrungen,
zunächst noch seine Kenntnisse zu berei-
ehern, hielt er sich vorderhand von der
Schriftstellerei fern. Er studirte Päda-
gogik und besuchte die philosophischen
Vorlesungen, besonders jene über neue
fremde Sprachen, an der Universität. Er
hatte während dieser Zeit den Kampf
ums Dasein in seiner ganzen Schwere zu
bestehen und oft mit der bittersten Noth
zu ringen. Erst als ihm Prediger Mann»
heimer seine Kinder zum Unterricht an-
vertraute, gelang es ihm, in besseren
Häusern als Lehrer und daun als Er»
zieher Stellung zu finden. Im Jahre
184!) veröffentlichte er den ersten Artikel
in Saph i r ' s „Humorist", welches
Blatt mit Rücksicht auf seinen geist-
vollen Redacteur, dessen Charakterlosig-
keit und literarische Unverschämtheit noch
nicht gekannt waren, Hoffnungen auf
eine edlere Gestaltung der österreichischen
Journalistik erregte. „Das Lustspiel des
Aristophanes und das Lustspiel un-
serer Zeit" war der erste Artikel, den
Wolf im Blatte brachte, an welche
Arbeit sich dann Effais und Studien
über Shakespeare u. d. m. schloffen.
Nnn schrieb er auch für andere Wiener
Blätter, wie für Bäuerle's „Theater-
Zeitung", für Frankl's „Sonntags-
blätter", welch letztere in der Nummer vom
12. März 1848 die erste und einzige No-
vells, die er geschrieben, ein Erlebniß als , Hofmeister, „Das Sterben eines Kindes"
^ brachten. An den Ereignissen des März,
^ wie überhaupt an der ganzen politischen
^ Bewegung des Jahres 1848 blieb Wolf
vollkommen unbetheiligt, als Erzieher in
einer Familie, deren drei Kinder ihm an°
vertraut waren, hatte er nicht Zeit, Po-
litik zu treiben, nur ein Artikel über die
Iuniberoegung in Paris erschien im
„Radicalen" von seiner Feder. Während
der Octobertage war er mit seinen Zog»
lingen abwesend von Wien, und erst als
sich der Reichstag in Kremsier versam-
melt hatte, begann er für die „Oester-
reichische Zeitung" zu arbeiten, welchen
Namen das alte Wiener Blatt „Der
Wanderer" unter der Redaction Ernst
von Schwarzer's, des nachmaligen
Arbeitsministers angenommen. Er schrieb
für dasselbe meist die Leitartikel, in wel-
chen er zuweilen mit den Ansichten des
von Warrens redigirten „Lloyd" in
Gegensatz trat, auch schrieb er für das
genannte Blatt die Wochenchroniken und
ist somit als der Schöpfer dieser Rublik
zu betrachten, welche später in allen
Wiener Journalen Nachahmung fand.
Nachdem der Reichstag in Kremsier am
7. März 1849 aufgelöst worden, wurde
auch bald danach die „Oefterreichische
Zeitung", und zwar wegen ihrer Hal»
tung im Allgemeinen und wegen eines
Leitartikels und einer Wochenchronik,
welche Wol f geschrieben, verboten. Im
Juni genannten Jahres erschien Wolf's
erste selbständige Schrift: „Die Demo«
kratie und der Socialismus, das allge»
meine Wahlrecht und die Gleichberechti«
gung der Nationalitäten in Oesterreich"
(Wien bei Sommer). Im Herbst 1849
begründete Dr. Ioh. Nep. Berger, der
nachmalige Sprechminister im Ministe«
rium Giskra, das Journal „Die Zeit",
für welches Wol f gleichfalls Artikel lie-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Band 57
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Windisch-Wolf
- Band
- 57
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 334
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon