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Wurmbral>d, Johann Wilhelm Zft7 Murmbrand, Johann Wilhelm
hofrath und Kämmerer bestätigt und im
Mai H716 zum geheimen Rathe erhoben.
4722 kehrte er mit seiner ganzen Familie
in den Schoos der katholischen Kirche
zurück und erhielt noch im November
desselben Jahres die Vicepräsidentenstelle
des Reichshofrathes. l723 ward er wäh-
rend der Abwesenheit des Kaisers in
Prag Mitglied des in Wien deputirten
geheimen Rathscollegiums und am
29. Jänner 5728 Präsident des Reichs-
Hofrathes. I n dieser Eigenschaft leitete
er in Gemeinschaft mit dem Reichs'
Vicekanzler Grafen von Metsch alle
Reichsgeschäfte am kaiserlichen Hofe.
Seine vieljährige Thätigkeit beim Reichs-
hofrathe führte ihn in den Kreis archi«
valischer Studien, in welchen er zur ge-
nauen und eindringlichen auf den Ur-
quellen beruhenden Information über
Lehen und Gesetzgebung, über die Ver-
hältnisse des Kur» und Fürstencolle-
giums und aller Stände zu einander,
über Erbfolgen, Hausgesetze und Haus»
observenzen, über Ansprüche auf aus»
wärrige Staaten und Titel der durch Do>
cumente beglaubigten landesherrlichen
Machtvollkommenheit in einer Gründ»
lichkeit und einem Umfange wie kaum
ein Anderer gelangte. Und in der That
hat er uiele Fragen in allen erwähnten
Punkten und über dieselben beleuchtet
und vieles theils Vergessene, theils ganz
unbekannt Gebliebene ans Tageslicht
gebracht. Erschuf eine neue Organisation
des Reichshofrathes und der Kanzlei
desselben. Am 24. Juni 1726 wurde
Wurmbrand und die ganze österrei'
chische Linie seines Geschlechtes in einem
zu Rothenburg an der Tauber abgehal»
tenen Grafeoconvent in das fränkische
Grafencollegium aufgenommen. Ein
österreichischer Historiker, dessen die Quel«
len gedenken, schreibt über den Grafen: „Von seinem Kaiser und dem großen
Eugen geehrt und durch den Kreis
seiner ausgebreiteten Studien vor allen
Anderen hiezu berufen, war er es, der
mit dem großen Leibnitz in Korrespon-
denz trat über eine Vereinigung der
Katholiken und Protestanten: ein Plan,
der bei dem Uebertritt der Fürstin El i-
sabeth vonBraunschweig-Wolfen-
büttel als Braut des nachmaligm
Kaisers Kar l VI . zum Katholicismus,
der Mutter der großen Maria The-
resia, viel besprochen wurde, den der
beredte Bossuet, das Licht und der
Ruhm der französischen Kirche, und
Leibnitz vielfältig mit einander beleucb«
teten, den der Kurfürst Georg von
Hannover eifrig förderte — und veo
eitelte, seit er, auf den Thron von
Großbritannien beufm, sah, in welchem
Haffe man in England gegen den Ka>
tholicismus aufwogte. Mit Leibnitz
besprach der Graf noch einen anderen
Plan. Nach dem Tode des ersten Königs
von Preußen schien die von diesem und
von Leibnitz gestiftete Berliner Aka-
demie der Wissenschaften ganz einzu»
gehen, weil der neue König Friedrich
Wilhelm wohl viel Sinn für die Spar»
samkeit und das Militär, aber gar keinen
für die Musen hatte. Nach Wien an den
Kaiserhof sollten sie nun verpflanzt
werden, und wo hätte es damals einen
günstigeren Ort gegeben, als das schöne
Oesterreich, wo im tiefsten Frieden ein
milder Fürst herrschte, der die Wissen-
schaften für die Zierde seines
Thrones hielt und ihnen an der Burg
seiner Väter den prächtigen Palast der
Hofbibliothek baute; wo der edle Prinz
Eu Zen, der wie sein herrlicher Gegner
Marschall V i l la rs sagen mochte: „es
gibt nur zwei Freuden in der Welt, einen
Preis im Collegium davontragen und
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Band 58
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Wolf-Wurmbrand
- Band
- 58
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon