Seite - 125 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Zichy-Zyka, Band 60
Bild der Seite - 125 -
Text der Seite - 125 -
Zimmermann,'Johann Wenzel l23 Zimmermann, Wenzel
mermann hin. Um seiner cechischen
Nation den Ruhm dichterischen Schaffens
zu einer Zeit (12. nnd l3. Jahrhundert)
zu vindiciren, für welche bis dahin auch
nicht ein literarifches Ueberbleibsel vor<
lag, verband er sich mit Hanka und
Linda zu förmlichen Fälschungen von
Liedern in der Weise jener in der viel«
bestrittenen Königinhofer Handschrift.
Das Alles haben voruitheilslose Forscher
der deutschen und seiner eigenen Nation,
wie Haupt, Büdinger, Feifal ik,
sembera der Vater und Hanug in
nnwiderleglicher Weise klar gelegt. Da
nimmt sich die von öechischer Seite ver»
suchte Ehrenrettung und wenn diese nach
allen Seiten hinkte, die Annahme von
Geisieszerrüttung ziemlich komisch aus:
denn mit seinen Strichen als Censor
die Fälschungen und Verstümmelungen
derManuscriptezusammengehalten, stellen
sich seine Handlungen als zielbewußte
Unthaten dar, die um so sträflicher er-
scheinen, als sie offenbare Verletzungen
seines Diensteides an seiner Obhut anver-
trautem Gute sind. Ueber den ganzen
Sachverhalt geben die Quellen die nöthi-
gen Nachweise. Dr. Hanus, selbst ein
begeisterter öeche, ist es, welcher die
Maske von dem Zeloten Zimmer»
mann riß und den ganzen Schwindel,
den dieser in dreifacher Eigenschaft als
Mensch, Priester und Bibliothekar trieb,
bloßlegte.
Zimmermann als Censor. Oben in der Bio<
araphie wird bemerkt, daß er frühzeitig dem
hebräischen Büchercensor Fischer 2,6. latus
beigegeden, später aber, 4820, als k. k.
Büchercensor angestellt wurde. Die Art und
Weise, wie er sein Censoramt ausübte, ist —
von der Infamie systematischen Gedanken«
mordeö abgesehen — geradezu lächerlich. Cr
legte jedes Wort auf die Wagschale und ehe
er eine Stelle in einem Werke passiren ließ,
befragte er jedes Mal seine Loyalitär und sein katholisches Gewissen. Zu seiner Zeit
durfte kein „Roman" erscheinen, dieses Won
verwandelte er in clne „Erzählung". In
einem Drama wurde der Name ..Maria" in
„Marina" umgeändert, weil/ersterer Ramo
eine Beleidigung der heiligen Jungfrau wäre.
Jemand schrieb, daß eü schicklich sci. Opfer
auf dcn „Altar" des Vaterlandes nirdrrzu'
legen; allein Censor Zimmermann ließ
diese Opfer auf den „Teller" des Vaterlandes
niederlegen? In einer Erzählung richtete ein
Geliebter an seine Herzensdame die Frage,
wrlcker Weg zu ihrem Schlafgemacke fübre.
worauf diese antwortete: „Der Weg zu
meinem Schlafgemache führt durch die
Kirche." Die Kirche schien dem Censor in
Verbindung mit dem Schlafgemache herab«
gewürdigt, und er schrieb statt „durch die
Kirche" gan; gemüthlich: „durch die Küche"!
Die Worte „Freiheit" und „Aufklärung"
durften in Schriften nicht vorkommen; als
Icmand geschrieben: ..Stellt die Aufklärung
der Finsterniß entgegen", strich er den Tal; und
schrieb: „Stellt Lichter der Finsterniß rni
gegen". Statt des Satzes.- „Der Verdang
wurde im Tempel zu Jerusalem durchrissen
und das alte Testament vom neuen getrennt",
schrieb Zi mm ermann: „Der Vorbang
wurde im Iudenhause zerrissen und die alte
Zeit uon der neuen getrennt". Genug drr
Proben
Drukä vvääni, d, i. Geschichte der <:echischen
Literatur (Prag lk4U, F. Niwn-^. schm, 4").
Zweiie von W. W. Tomrk besorgte Äu6
V5K uov«^i, d. i. Geschichte dcr cecho-
slavischen Sprache und Literatur. Neuere
Zeit (Wien 186!>. gr. 8".) S. 3l)9. — Bo-
l) emia (Prager politisches und llnter-
haltungsdlatt) l861, Nr. 284. S. 27M,.-
„Der Vock als Gärtner". — Dieselbe.
4868, Nr. 109 im Feuilleton: „Die ge-
fälschten böhmischen Gedichte". — sloviaik
l^ », u, 6 n )'. Niiäaktori !)i-. 1'>g,ni. I^ g,ci.
1i.i63'oi- a,^ . HIa.15', d. i. Conversationä»
Lerikon. Redigirt uon Dr. Franz Lad,
N i e g e r und I . M a l ^ (Prag 1872.
I . L. Kober, Lex.-8°.) Bd. X, S. ^ö6.
Äir. !). — Waitzenegger (Franz Joseph).
Gelehrten« und ' Schriftsteller« Lerikon der
-deutschen katholischen Geistlichkeit (Landshut
1820, Trautmann, gr. 8".) Bd. I I , S. 540.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Zichy-Zyka, Band 60
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Zichy-Zyka
- Band
- 60
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon