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Iirksena-Nietberg 180 Zirksena-Nietberg
schimpfliche Strafe denken, vor Scham
die Wangen errothen, das Blut durch
die Adern heiß jagen fühlen, das Kloster
verlassen und hinaus vor die Stadt
rennen, das alles folgte rasch aufein«
ander. Als man die Entflohene ver-
mißte, ließ die Oberin sofort einen
Wagen anspannen und nach dem Flücht»
ling suchen, der auch alsbald eingeholt,
in den Wagen gehoben und ins Kloster
zurückgebracht wurde, wo sie — in höchst
unwürdiger Weise von einer Nonne —
mit Schimpfworten empfangen ward.
.Schimpfen"! rief die Prinzessin, sprang
als „friesische Katze" auf die Nonne, jagte
der Fliehenden nach, welche sie bald ein»
holte, worauf man dann Ohrfeigen auf
das Gesicht der Erschreckten klatschen und
ein Geschrei durch die Klostergänge hallen
hörte, daß die Nonnen entsetzt von allen
Seiten herbeieilten und alsbald die Ur-
sache dieses Zusammenlaufes inne wur«
den. Das war unerhörter Frevel. Zu<
nächst wurde Maria in die Strafzelle
gebracht und bei Wasser und Brod in
Haft gehalten. Derselben folgten am
nächsten Morgen Urtheil und Strafe.
Beides wurde von der Oberin der Schul-
digen im Beisein der versammelten Non-
nen verkündigt: „Tüchtige Birkenruthen
und heilendes Salzwasser werden Dir
brennende Schmerzen bereiten und Deinen
ungemessenen Stolz beugen, mein Kind.
Die Strafe muß Dir einmal recht zu
Herzen gehen, Mar ia. Sie ist hart,
aber wohl verdient, liebes Kind. Möge
sie Dir zur Besserung, Deinen Gefahr«
tinen zur. Warnung dienen!" — Was
nun folgte, war empörend. Das vier»
zehnjährige Mädchen wurde entblößt, mit
Gurten auf eine Bank gebunden, zehn
Nonnen gingen im Rundgang herum
und hieben sie mit zwei Fuß langen ge>
flochtenen Birkenruthen, während eine ! mit chirurgischen Kenntnissen ausgerüstete
> Klosterfrau das empörende Strafgericht
! überwachte. Aber nicht gutwillig-hatte
sich das beherzte Madchen zu dieser Miß-
Handlung herbeigelassen. Auf ihr adeliges
! Blut pochend, rief sie: „Ich bin eine
^Zirksena von Greetsiel" und wies
! in nicht gerade anständiger Weise der
! Oberin den Rücken. Als man sie dann
^ fassen wollte, verbarricadirte sie sich hinter
^ Stühlen und Bänken und drohte, Jeden,
- der ihr nahe, zu schlagen. Endlich mußten
! zwei derbe Klostermägde den Angriff
! wagen; aber die „friesische Katze" schlug,
! kratzte, biß und konnte erst nach hartem
! Kampfe gefaßt, entkleidet und auf die
^ Bank geschnallt werden. Ohne Klage,
ohne Bitte, ohne Schmerzenslaut über»
stand die Prinzessin die grausame Strafe,
! sie ertrug auch ruhig die furchtbar
! schmerzhafte Waschung mit Salzwaffer,
! dann aber siel sie in Ohnmacht. Als sie
! aus dieser erwachte, erfolgte die über-
^ raschende Umkehr: freiwillig bat sie dann
! die Oberin um Vergebung für ihre Un>
! arten, erklärte aber, daß sie gezwungen
! dies nie gethan haben würde. Es war
ein reiner Zufall, daß bald nach diesem
Vorfall ihr Vater Fürst Ferdinand
Maximi l ian sie in Prag besuchte. Als
er da sein zerfetztes Kind sah, die Wun-
den, Schwielen, Krusten erblickte, da rief
er tief ergrimmt aus: „Das ist zu arg!"
und erhob die Reitgerte zum Schlage
gegen die Oberin. Aber er schlug nicht.
Die Prinzessin war von, ihrem Schmer»
zenslager aufgesprungen, hatte dem
Vater in die erhobene Hand gegriffen
und die Oberin vor dem Streiche ge-
rettet. Nun war es an der Letzteren, dem
hochsinnigen Friesenmädchen zu danken.
So endigte diese Klosterscene. Mar ia
verließ mit dem Vater das Kloster und
Prag. Bald danach wurde sie in Ryswick
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Zichy-Zyka, Band 60
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Zichy-Zyka
- Band
- 60
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon