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Kernstock, Ottokar#

* 25. 7. 1848, Marburg (Maribor, Slowenien)

† 5. 11. 1928, Festenburg (Gemeinde St. Lorenzen am Wechsel, Steiermark)


Priester, Forscher
patriotischer, deutschnationaler Dichter


Ottokar Kernstock
Ottokar Kernstock. Foto, 1910.
© Bildarchiv der ÖNB, Wien, für AEIOU
Der spätromantische Lyriker Ottokar Kernstock stammte aus der ehemaligen Südsteiermark.

Sein Vater, ein kaiserlicher Finanzbeamter, stammte aus Prachatitz im Böhmerwald, noch 1890 ein Städtchen mit 4000 deutschen und 1000 tschechischen Einwohnern. Otto wuchs in Marburg, der Heimatstadt seiner Mutter, mit zwei jüngeren Geschwistern auf und übersiedelte im Volksschulalter mit seinen Eltern nach Graz.

Er studierte Rechtswissenschaften und wurde Mitglied der Akademischen Sängerschaft "Gothia". Nach seinem Eintritt in das Augustiner Chorherrenstift Vorau in der Steiermark (1867) nahm er den Namen Ottokar an. Nach der Priesterweihe 1871 wurde er Archivar und Bibliothekar, 1873 Kaplan in Waldbach, dann in St. Lorenzen am Wechsel und in Dechantskirchen.

Von 1889 bis zu seinem Tod 1928 war er Pfarrer von Festenburg in der Oststeiermark.

Nach seinem Tod am 5. November 1928 wurden sein Empfangs-, Arbeits- und Schlafzimmer von den Vorauer Chorherren zur Gedenkstätte bestimmt und blieb seither mit allen Einrichtungsgegenständen, Büchern, Bildern und Urkunden unverändert als Museum erhalten.


Von 1875 an publizierte er, insbesondere in den Münchnern "Fliegenden Blättern". In der steirischen Idylle verfasste er ab 1889 eine Reihe zum Teil schwülstiger Gedichte, die meisten in der Tradition Scheffels, viele davon mit radikal deutschnationalen Appellen.

Formal und thematisch bewegen seine Gedichte in konventionellen Bahnen, auffällig sind der patriotische, deutschnationale Ton sowie seine Vorliebe für geschichtliche, besonders mittelalterliche Themen und Personen, deren nationalistische Vereinnahmung sich durch sein gesamtes lyrisches Werk zieht. Das mystisch verklärte Mittelalter wurde von Kernstock ideologisch vereinnahmt, um die Schwarz-Weiß-Malerei aktueller Feindbilder zu rechtfertigen. Daneben publizierte Ottokar Kernstock auch wissenschaftliche Beiträge u. a. zur Geschichte seines Stifts sowie kunsthistorische und heimatkundliche Aufsätze.

1916 hätte Kernstock Leiter des Germanistischen Seminars der Universität Wien werden sollen. Karl Kraus protestierte dagegen in der Fackel und nannte ihn den "blutigsten Dilettanten der Weltkriegslyrik." Kernstock verzichtete auf die Position.

1919 wurde er Ehrendoktor der Universität Graz, 1920 erhielt er zusammen mit Rainer Maria Rilke den Mejstrik-Preis. (Der historische Mejstrik-Preis wurde 1920 erstmals verliehen zur Erinnerung an den Wiener Buchhändler und Schriftsteller Adolf Mejstrik (1840-1918), der sich große Verdienste um den Wiener Zweigverein der Deutschen Schillerstiftung erworben hatte.)

Schon zu seinen Lebzeiten fand seine Lyrik Eingang in Schul-Lesebücher, nach seinem Tod wurden etwa 60 öffentliche Flächen, Straßen und Plätze in Gemeinden nach ihm benannt. Manche wurden in der letzten Zeit umbenannt, so der Kernstockplatz in Wien (1992 in "Familienplatz") und die Kernstockwege in Traun und Ansfelden (1995). Das Ottokar-Kernstock-Haus in den Fischbacher Alpen des Österreichischen Alpenvereins, Sektion Bruck a.d. M., trägt seinen Namen. In der Festenburg ist heute ein Kernstock-Museum eingerichtet.


Schon 1919 hatte Ottokar Kernstock das Gedicht "Sei gesegnet ohne Ende" verfasst. Zunächst mit "Deutschösterreichische Volkshymne" übertitelt, erschien das Gedicht 1922 in Kernstocks letztem Gedichtband "Der redende Born" als "Österreichische Volkshymne", wobei die ursprüngliche dritte Strophe "Osterland bist du geheißen ... " nicht abgedruckt wurde. Eine Reihe privater Initiativen warb für die Einführung der ursprünglichen ersten drei Strophen als Bundeshymne. Der Text war ja genau auf die Melodie der Haydn-Hymne geschrieben. So gelangte die Dichtung auch inoffiziell in verschiedene Schulliederbücher.
(Näheres zur zweiten Hymne der Ersten Republik)


Leseproben#

Leseprobe
Leseprobe

Heldendenkmal der Turner im Schwarzenbergpark, Wien 17
Heldendenkmal der Turner im Schwarzenbergpark, Wien 17
Photo: Peter Diem


Das Hakenkreuzlied

Die den Bürger der Zweiten Republik beinahe gespenstisch anmutende deutschnationale und großdeutsche Einstellung breitester, auch sozialdemokratischer Kreise war für die Erste Republik charakteristisch. Ihre Wurzeln reichten weit in das 19. Jahrhundert zurück. Natürlich konnte man sich damals nicht bewusst sein, wohin diese Einstellung, die immer wieder auch auf die „Schmach" des Ersten Weltkrieges zurückgeführt wurde, letztlich führen msste. Der beste Beweis dafür ist Ottokar Kernstock selbst, der im Frühjahr 1923 für die Ortsgruppe Fürstenfeld der NSDAP folgendes „Hakenkreuzlied" gedichtet hatte:

Bild 'Hakenkreuzlied'

Nach den Ausführungen des Archivars von Stift Vorau, Pius Frank, im Klerusblatt, erhielt Ottokar Kernstock im Frühherbst 1923 den Brief eines Kaplans Josef Pleier aus Graslitz in Böhmen, der sich beklagte, dass die Nationalsozialisten bei der „gut christlichen" Bevölkerung seines Ortes unter Berufung auf den Priester Ottokar Kernstock und sein Gedicht auf Stimmenfang gingen. Nach seiner Ansicht aber trage der Nationalsozialismus deutliche Züge der alten „Los-von- Rom-Bewegung" und predige den „Materialismus des Blutes". Er wolle nun Kernstock fragen, ob er Hakenkreuzler gewesen sei, sich immer noch dazu bekenne und wie er sich zum Nationalsozialismus allgemein stelle. Auf der Rückseite des ihm zugegangenen Briefes befinde sich, so Pius Frank, der Entwurf der Antwort Kernstocks:


„ ...Ich bin kein Hakenkreuzler und war nie einer. Wohl habe ich seinerzeit auf die Bitten einer Ortsgruppe ein Gedicht geschrieben, das den idealen Zielen galt, die ursprünglich den Hakenkreuzlern vorschwebten und mit denen sich jeder brave Deutsche einverstanden erklären mußte. Das ist meine einzige Beziehung zur Nationalsozialistischen Partei. Wenn diese Beziehung, wie Sie sagen, zu Zwecken ausgenutzt wird, die mit jenen idealen Bestrebungen nichts zu tun haben, so bedauert dies lebhaft ..."

  • Österreichisches Klerusblatt 9/1967, 131 f.
  • Christliche Arbeiterzeitung, Wien, am 2. II. 1924


Anmerkung: Wir sehen hier, dass die Erste Republik, die sich ja bekanntlich schon in ihrem Verfassungsentwurf als "Deutschösterreich" und als "Teil der Deutschen Republik" bezeichnet hatte, in allen Volksschichten - vom (unter)steirischen Priester bis zum Wiener Volksbildner vom deutschnationalen Anschlussgedankengut tief durchdrungen war.

Weiterführendes#

Werke (Auswahl)#

  • Verloren und Wiedergefunden, Märchen, 1894
  • Die wehrhafte Nachtigall, 1900
  • Aus dem Zwingergärtlein, 1901
  • Unter der Linde, 1905
  • Turmschwalben, 1908
  • Aus der Festenburg, 1911
  • Tageweisen, 1912
  • Schwertlilien aus dem Zwingergärtlein, 1915
  • Steirischer Waffensegen, 1916
  • Der redende Born, 1922

Literatur#

  • O. Floeck, Der Sänger auf der Festenburg. Graz 1915
  • M. Liebmann, O. Kernstock und sein Hakenkreuzgedicht, in: Campus für das Fürstenfelder Kulturmagazin 22, 1993
  • M. Liebmann, O. Kernstock, der mißbrauchte Dichter, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, Band 85, 1994
  • J. Steinbauer, "Markig und feierlich". Eine Geschichte der Bundeshymnen der Republik Österreich, Diplomarbeit, Graz 1993

Quellen#

  • AEIOU
  • Projekt Gutenberg (In dieser Sammlung finden sich eine Reihe "unpolitischer" Gedichte Kernstocks, in denen die "deutsche" Frau und das "deutsche" Mädel in "völkischer Form", zuweilen aber auch mit einem leicht lasziven Unterton ("Ein Backfisch", "Marthe","Das Gredlein", "Klausners Traum") besungen werden.)
  • Kernstockhaus
  • Festenburg


Redaktion: P. Diem, I. Schinnerl

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