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Elfi Fritsche, Johanna Putzer, Josef Putzer: Technik in den Alpen#

Bild 'Alpen'

Elfi Fritsche, Johanna Putzer, Josef Putzer: Technik in den Alpen. Von Seilbahnen, Staudämmen und Schneekanonen. Folio Verlag Wien - Bozen 2016. 128 S., ill., € 19,90

Auf den ersten Blick erinnert das sympathisch wirkende Werk an ein Schulbuch: Knappe Texte (mit Hervorhebung des Wichtigsten), viele Fotos, Grafiken samt Erklärung. Der Eindruck trügt nicht. Die Verfasserin Elfi Fritsche, studierte Sozialpädagogin und Erziehungswissenschaftlerin, ist als Lehrerin in der Weiterbildung und Museumspädagogik tätig. Die ebenso informativen wie originellen Grafiken zeichnete die Pädagogin und Grafikerin Johanna Putzer. Nach dem Motto "Lernen soll Spaß machen" hat sie auch lustige Zeichnungen eingestreut, wie die Alpen als Emmentaler oder einen Elefanten Hannibals. Josef Putzer ist Architekt und somit als Technikexperte ein kompetenter Autor. Gemeinsam haben sie ein unkonventionelles Bildsachbuch geschaffen, das Zusammenhänge und Entwicklungen verdeutlicht. Bewundernswert, wie das Autorenteam auf 128 Seiten so viel geballte Information unterbringt. Technik und Natur ist für viele ein Reizthema, doch hier gibt es keine erhobenen Zeigefinger. Erst das letzte Kapitel geht auf die Interessenskonflikte zwischen Landschaftspflege, Umweltschutz, Tourismus und Verkehr ein.

Zur Einstimmung lernt man "Die besondere Landschaft" der Alpen kennen. Eine Karte zeigt die 84 Schauplätze von der Tendabahn (Italien, Frankreich) bis ins Niederösterreichische Lilienfeld, wo Matthias Zdarsky den Alpinski erfand. Dann geht es mit Bergbahnen "Bequem zum Gipfel". Man lernt, die Seilbahntechnik und das Prinzip der Zahnradbahnen zu verstehen, unter anderem illustriert mit der Bergstation der Innsbrucker Hungerburgbahn, die 2007 die britisch-irakische Stararchitektin Zaha Hadid plante. Kaum vorstellbar, dass die Alpen noch vor 100 Jahren als bedrohlich galten und der Winter in den Bergen die Bewohner monatelang praktisch vom Rest der Welt abschnitt.

Heute erschließen massentaugliche Pisten Europas größtes Skigebiet und Schnee kommt aus Kanonen. Bergstraßen präsentieren sich "Steil und kurvenreich". Die Geschichte der Alpenstraßen begann vor Jahrtausenden mit Trampelpfaden. Die wohl legendärste Überquerung gelang den Karthagerführer Hannibal 218 v. Chr., allerdings unter gewaltigen Verlusten. Weniger als die Hälfte seiner 50.000 Soldaten und keiner der 37 Kriegs-Elefanten erreichten ihr Ziel. Seit 1991 versucht die "Alpenkonvention" die Passierbarkeit und den Schutz des Lebensraums zu verbinden. Ein Punkt des Übereinkommens betrifft den Ausbau der Eisenbahnverbindungen. Die alpine Eisenbahngeschichte begann 1857 in Österreich: Die Semmeringbahn zwischen Mürzzuschlag und Gloggnitz war die erste Gebirgsbahn Europas. Den vorläufigen Schlusspunkt des dichten Schienennetzes setzt der Brenner-Basistunnel (BBT) zwischen Österreich und Italien, der 2026 eröffnet werden soll. Im Kapitel über den Tunnelbau zeigt eine der vielen instruktiven Grafiken den Vergleich zwischen BBT und GBT, dem Gotthard-Basistunnel in der Schweiz. Dieser, mit 2300 m der längste Eisenbahntunnel der Welt, ist seit 2016 in Betrieb. Beim Zusammentreffen der "Hightech-Maulwürfe" hatten die aus zwei Richtungen kommenden Tunnelbohrmaschinen nur eine Abweichung von wenigen Zentimetern.

Andere Verkehrsbauwerke führen "Über Schluchten und Täler". Was man hier über Konstruktionen, Kräfte und Spannweiten erfährt, ist äußerst spannend. Die höchstgelegene Hängebrücke Österreichs befindet sich in 2700 m Seehöhe am Dachstein und verläuft bis zu 400 m über Grund. Dazu gehört ein Skywalk mit gläsernem Boden neben der Bergstation. Zahlreiche Aussichtsplattformen dieser Art entstanden in den vergangenen Jahren als Touristenattraktionen. Keinen friedlichen Zwecken dienten hingegen Burgen, Festungen und Militärstraßen. Das nächste Kapitel stellt die Alpen als gigantischen Wasserspeicher vor, der vielfältig genutzt wurde und wird. Trinkwasser, Nutzwasser und Energiegewinnung sind ihm zu verdanken- mit gewaltigen Staumauern und Einbauten der Kraftwerke als technische Meisterleistungen.

"Viele Siedlungen und Hauptverkehrswege in den Alpen sind von Lawinen, Felsstürzen und Muren bedroht. Das damit verbundene Risiko steigt ständig, weil sich die Siedlungen und das Verkehrsnetz ausdehnen." So sind die abschließenden Kapitel den Schutzbauten sowie "Technik und Landschaft" gewidmet. Technik prägt die alpine Region, von Naturlandschaft kann schon lange keine Rede mehr sein. Das "heroische Zeitalter" des 19. Jahrhunderts hat bisher nie Dagewesenes geleistet. Man war stolz auf den Fortschritt und empfand "die landschaftlichen Eingriffe durch die Technik als gut und schön." In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wich die Technikgläubigkeit zunehmender Skepsis. "Es entsteht ein Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie." Wenn das Autorenteam auch auf die Bedrohung der Landschaft durch Transitverkehr und Massentourismus hinweist, überlässt es das Urteil doch dem Leser selbst: "Landschaft ist ein geographischer Raum, von dem wir uns ein Bild machen, das sich im Lauf der Zeit und je nach kulturellem Hintergrund ändert. … Die Veränderungen der Landschaft durch die Technik sind zwar real, aber die Interpretation, ob diese gut oder schlecht, schön oder hässlich sind, findet in unseren Köpfen statt." Denkanstöße gibt dieses Buch mit einer beachtlichen Fülle an Fakten und anschaulichen Beispielen.