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Robert Haderer: Unterwegs im Land der Vielfalt #

Bild 'Haderer'

Robert Haderer: Unterwegs im Land der Vielfalt - Kulturhistorisches, Geheimnisvolles und Kurioses aus dem Wein- und Waldviertel. Verlag Berger Horn. 320 S. ill., € 39,90

Unterwegs im Land der Vielfalt: Der Titel passt haargenau zum neuesten Bild-Text-Band über zwei "Viertel" des größten Bundeslandes Österreichs. Auch der Untertitel Kulturhistorisches, Geheimnisvolles und Kurioses aus dem Wein- und Waldviertel verspricht nicht zu viel. Der Fotograf und Autor Robert Haderer präsentiert ein buntes Kaleidoskop aus 2 x 25 Elementen, das ebenso vielseitig ist wie das Thema des anregenden Werkes.

In die Kategorie Kulturhistorisches fällt im Weinviertel etwa Brot und Wein, Hahn und Sonne. Der Maler und Mosaikkünstler Hermann Bauch leistete Pionierarbeit für die allgemeine Wertschätzung seiner Heimat im nördlichen Umland von Wien. Heute ist ihm ein Museum gewidmet, das sich auf einem Areal von 10.000 m² erstreckt. Bauch hat über Jahrzehnte hindurch ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das in seiner Eigentümlichkeit seinesgleichen sucht und als Himmelkeller überregionale Bekanntheit erlangte … ein vielfältiges Ensemble an Gebäuden und Räumlichkeiten, sowohl oberhalb als auch unter der Erde, ein Mikrokosmos, der alles das in sich vereint und widerspiegelt, was das Viertel unter dem Manhartsberg so unverwechselbar macht. 1450 Objekte aus dem vorindustriellen Alltag überraschen die Besucher Im Stadel. Die Attraktion des Weinmuseums ist eine der größten barocken Weinpressen Niederösterreichs. Aus Gaweinsthal übertragen, hat sie in Kronberg ein eigenes Haus bekommen. Daneben befindet sich die einzige erhaltene Zehentwaage, die ehemals im Kreuttal in Verwendung stand. Besonders faszinierend ist die Führung durch das Kellerlabyrinth. In der "Krypta", dem Herz des unterirdischen Reiches, sind die wertvollsten Exponate ausgestellt, am bekanntesten das so genannte Templerkreuz Vor 200 Jahren tauchten beim Abbruch der Burg Kronberg vier goldene Kreuze auf. Man brachte sie in ein Museum, doch verlor sich ihr Spur im Zweiten Weltkrieg. Ein Exemplar kehrte nach Kronberg zurück, nun ist eine Replik ausgestellt.

Geheimnisvoll zeigt sich eine Kapelle in der Waldviertler Marktgemeinde Arbesbach. Hier ragt die Turmruine einer ehemaligen Kuenringerburg über einer Granitformation auf. Der 850 m hoch gelegene "Stockzahn des Waldviertels" dient als Aussichtswarte. Zu den Sehenswürdigkeiten des Ortes zählen eine ehemalige Klausnerhöhle, eine Lourdesgrotte und eine weiß gekalkte Kapelle zu Ehren des heiligen Expeditus. Er war ein römischer Soldat, der zum Christentum konvertierte. Das spätantike Martyrologium Hieronymianum nennt Expeditus unter sechs armenischen Märtyrern und gibt seinen Tag mit 19. April an. Später bezweifelte die Amtskirche seine Existenz, doch ist diese Frage nicht geklärt. Der Heilige wird als Schutzpatron der Wanderer verehrt und in dringlichen Angelegenheiten angerufen. In Fällen, die keinen zeitlichen Aufschub dulden und einer sofortigen Lösung bedürfen, ist er genau der Richtige! Dargestellt als römischer Kommandant hält er beschwörend in seiner Rechten ein Kreuz mit der Aufschrift "Hodie" (Heute), während er auf einen Raben tritt, der kläglich "Cras, cras!" (Morgen) schreit. Nach der Legende erschien ihm der Teufel in Gestalt eines krächzenden Raben, der ihn zum Aufschub der Taufe überreden wollte. Robert Haderer schreibt, dass die Vita des Heiligen von der Kirche "entwickelt", also frei erfunden worden sei. In unseren Breiten führt der hl. Expeditus ein Schattendasein. Andernorts ist er, was Popularität und Beliebtheit anbelangt, unangefochten an erster Stelle. Was die Legendenbildung angeht ist der eilige Heilige kein Einzelfall, er teilt dieses Schicksal mit vielen bekannten Patronen. Geheimnisvoll bleibt, wieso er auf der Insel Reunion nicht nur zum Helfer von Christen, sondern auch von Hindus, Moslems und Voodoo-Anhängern wurde. Die Insel im Indischen Ozean ist übersät von roten Schreinen mit seiner Statue, wo die Gläubigen Votivgaben ablegen.

Zurück nach Niederösterreich. Im unterhaltsam zu lesenden Buch nimmt das Kuriose breiten Raum ein. In diese Kategorie fallen Artikel wie Kasperls Abenteuer in Karnabrunn und Nonsens pur in Herrnbaumgarten im Weinviertel oder Wo Geisterjäger auf Nanologen treffen im Waldviertel. Daneben bieten die 50 Beiträge Raum, besondere Menschen zu würdigen, wie den Lyriker Theodor Kramer, die Künstlerin Anita Windhager, Friedensreich Hundertwasser, der sich am Kamp niederließ, den Kartographen Georg Matthäus Vischer oder den Schriftsteller und Politiker Jörg Mauthe, der seiner Mollenburg im Weitental neues Leben einhauchte. Etliche Artikel sind der Erd- oder Urgeschichte gewidmet, wie Fossilienwelt Stetten – Ein Tauchgang in die Erdgeschichte, Stillfried – Von paläolithischen Jägern an der Bernsteinstraße oder Rätselhafte Artefakte aus grauer Vorzeit. Sagen, Burgen und Kirchen werden ebenso beschrieben wie Museen und Kellergassen. Dabei versteht es der Autor, Fakten mit persönlichen Eindrücken, manchmal auch Meinungen, zu verbinden, so dass ein lebendiges Bild Niederösterreichs entsteht. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei aller Vielfalt nicht "alles" beschrieben werden kann. So würde man sich einen Hinweis auf den sympathischen Schriftsteller Alfred Komarek und seine Erfolgsfigur Simon Polt wünschen, während manches "Uralte" oder "Germanische" verzichtbar gewesen wäre. Das Layout mit den ausdrucksstarken Fotos des Autors wrkt sehr gelungen, doch hätte der Text bessere Lesbarkeit verdient. Vielleicht eine Anregung für die Fortsetzung der Reise durch das Most- und Industrieviertel, auf die man sich schon freuen darf.

hmw