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Helga Maria Wolf

Prozessionen#

Prozession zu Fronleichnam 2017, Wien 9, Foto: Doris Wolf

Prozessionen (lat. procedere - vorrücken, voranschreiten) sind ein wesentliches Element kirchlicher Feiern. Gemessenen Schrittes bewegen sich die Teilnehmer, oft begleitet von Kerzen- und Fahnenträgern zu einem (Wallfahrts-)Ziel, durch das Gotteshaus oder die freie Natur. "Die" Prozession ist der Umgang zu Fronleichnam. Das Fest wird seit mehr als 750 Jahren begangen, doch setzte es sich erst durch, als Ende des 13. Jahrhunderts die Prozession dazu kam.

Auch zu anderen Terminen des Kirchenjahres ist das gemeinsame Schreiten Brauch, kalendarisch zuerst zum Fest Darstellung des Herrn (früher: Mariä Lichtmess). Schon die Pilgerin Ätheria, die um das Jahr 400 Jerusalem bereiste, berichtete von einer großen Feier. In der Auferstehungskirche habe eine Prozession stattgefunden. Priester und Bischof hätten in ihren Predigten die Bibelstelle (Lk 2, 22-29) erklärt, der zufolge Maria und Josef mit dem 40 Tage alten Jesus vorschriftsgemäß den Tempel besuchten. Sie begegneten dem greisen Simeon, der das Kind als "Licht, das die Heiden erleuchtet" pries. Seit der Mitte des 4. Jahrhunderts sah man in Christus den Weltenherrscher (Kosmokrator). Aus dieser Vorstellung entstand in Jerusalem das "Fest der Begegnung" (Hypapanthe), das unter dem Einfluss des Hofzeremoniells mit einer Lichterprozession ausgezeichnet war.

Das Hochfest Ostern und die vorangehende Karwoche boten vielfachen Anlass für religiöse Umzüge. Zu den Stationsgottesdiensten in der Fastenzeit versammelte man sich bei einer Kirche (Collecta) und zog in Prozession zu einer anderen, um dort die Messe zu feiern. Man pflegte Umgänge beim Aussprengen des Weihwassers und zur Übertragung des Allerheiligsten am Gründonnerstag. Bis heute ist die Palmprozession am Sonntag ein liturgischer Brauch. Hingegen sind Palmeselumgänge und Kreuzsschlepperzüge abgekommen. Leopold Schmidt berichtet im Standardwerk "Volkskunde von Niederösterreich", dass der Pfarrer von Eggenburg um 1680 Kreuzschlepperprozessionen einführte und es im 17. Jahrhundert in Waidhofen an der Thaya Geißlerzüge gab. Erhalten haben sich hingegen Prozessionen zu Kreuzwegstationen und Kalvarienbergen, die der Jesuitenorden zur Zeit der Gegenreformation forcierte. In der Osternacht finden Auferstehungsprozessionen mit Kerzen in manchen Kirchen statt.

Besonders eindrucksvoll ist ein Bittgang vor Christi Himmelfahrt im Marchfeld, das seit jeher als "Kornkammer" und "Gemüsegarten" Wiens gilt. Die benachbarten Orte Fuchsenbigl und Haringsee (Pfarrverband Leopoldsdorf) pflegen eine besondere Tradition: Zwei Kreuzträger, einer aus Haringsee, der andere aus Fuchsenbigl, treffen mit ihren Gruppen bei einem Marterl zusammen und gehen das letzte Stück gemeinsam. Ein Priester spendet den Flursegen.

Der 25. April ist dem Evangelisten Markus geweiht, der als „Wetterherr“ gilt. Nach der Legende wollten seine Mörder den Leichnam verbrennen. Ein Gewitter verhinderte dies, so konnte der Märtyrer christlich bestattet werden. Die Markusprozession soll den Feldfrüchten das passende Wetter bringen. In Niederösterreich wird sie u. a. von den Pfarren Altlichtenwarth, Breitstetten, Fuchsenbigl, Leithaprodersdorf, Leopoldsdorf und Rohrau gehalten. In Probstdorf stiftete ein Bewohner vor einigen Jahren eine Markuskapelle. Sie ist das Ziel der Prozession, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Edgar Weyrich berichtete aus Untersiebenbrunn: "Der Markustag sieht Jahr für Jahr nach der Frühmesse die Prozession der Dorfleute um das Dorf, wobei der Pfarrer die Felder segnet. Am Nachmittag aber ging der Gemeindeausschuss 'Gmarischauen' oder 'Lewerbessern'." So verband sich die Bitte um Hilfe von oben mit dem weltlichen Rechtsbrauch der Grenzbegehung samt Ausbessern der Grenzmarkierungen.

Der 4. Mai ist der Tag des hl. Florian. Der Patron gegen Feuersgefahr erhielt bemalte Kerzen als Opfergabe. Um 1700 waren die damals errichteten beiden Florianikapellen in Asparn an der Zaya Endpunkte von Prozessionen. Der hl. Johannes Nepomuk lebte im Mittelalter, wurde aber erst drei Jahrhunderte später heilig gesprochen. Kaiserhaus und Adel förderten den Kult, unzählige Statuen wurden errichtet - "An jedem Steg, auf jeder Bruck' steht Johannes Nepomuk" - und Schauplatz von Prozessionsandachten. Sie fanden in der Woche seines Gedenktages, 16. Mai, statt.

Einen Monat später, am 15. Juni, bestand im 17. Jahrhundert eine besondere Prozession. Sie ging von Rafing nach Sallapulka, wobei weiß gekleidete Mädchen einen blühenden Weinstock in die Wallfahrtskirche "Maria im Gebirge" brachten. Leopold Schmidt beschreibt den Brauch: "Der Stock wird mit Kerzen und Bändern geschmückt und beim Abmarsch von Rafing durch den Weinhüter dem ältesten Mädchen der Prozession übergeben. Dieses trägt den Stock eine zeitlang, übergibt ihn dann der Nächstjüngeren, und dies setzt sich fort, bis er schließlich bei der Jüngsten angelangt ist. So haben also alle Teilnehmer an der Prozession ihren Anteil an der Gabe." Das Gotteshaus, eine der ältesten Wallfahrtskirchen Niederösterreichs, war damals so berühmt wie jene von Maria Zell. Am Veitstag, dem Tag der Kirchweihe, zählte man in Sallapulka mehr als 50 Prozessionen, die am Gnadenort feierlich empfangen wurden. Dort erwarteten 120 Verkaufsbuden und Imbissstände die Pilger.

Wallfahrten wurden in früherer Zeit weniger von Einzelnen unternommen, sondern von Gruppen, die sich, angeführt von Vorbetern und Kreuzträgern, in wohl geordneten Prozessionen ihrem Ziel näherten. Bildquellen dazu sind die Gemeinschaftsvotivbilder in den Kirchen. Häufig waren Gelübde nach einer überstandenen Seuche oder Feuersbrunst der Anlass zu Gang und Gaben. " 'Verlobte' Gemeinschaftswallfahrten waren in der Barockzeit nicht dem freien Willen des Einzelnen anheimgestellt, da gab es eine gewisse Teilnahmepflicht", weiß Schmidt. "Bei der gelobten Pestwallfahrt von Asparn an der Zaya nach Karnabrunn wurde festgelegt, dass aus jedem Haus wenigstens zwei Personen mitzugehen hatten, bei Strafe von zwei Pfund Wachs." Oft brachten sie zum Dank Riesenkerzen mit: "Solche Votivkerzen wurden nicht selten auch in eigenen Prozessionen überbracht, und ein derartiges Opfer konnte, bei entsprechendem Gelöbnis, auch wiederholt oder gar alljährlich dargebracht werden. Aus Stockerau kam beispielsweise alljährlich eine Prozession nach Oberhautzenthal, die zwei große Kerzen mitbrachte. In Krems fand Schmidt eine Prozessionsordnung aus 1705 für eine Wallfahrtsprozession auf den Sonntagsberg. Der Umzug umfasste zwölf Gruppen, vom "Wegweiser in einem roten Rock" bis zu den Kapuzinern. Dazwischen schritten Fahnenträger, Musiker, Geistliche und Honoratioren. Schließlich kamen "Nachgehendes", Frauen und "das Volk". Für die musikalische Begleitung gab es Flugblattdrucke mit "andächtigen Gesängen".

Teilnehmer von Prozessionen waren neben dem - ständisch gegliederten - "Kirchenvolk" spezielle Berufs- und Interessensgruppen, wie Zünfte oder Bruderschaften. In Ybbsitz waren die Schmiedegesellen zum Mitgehen verpflichtet. Der Prälat von Seitenstetten schrieb ihnen das Tragen von Mänteln und bestimmten Hüten vor. Dagegen wandten sich 1785 einige "Aufwiegler", die langwierigen Streitereien über die Form der Kopfbedeckungen endeten mit einem Kompromiss. Die Viehhirten der Tullner Gegend rückten an Feiertagen mit Fahnen und Prozessionskerzen aus. Die Halter hatten ihre Peitschen mit, mit denen sie während des Umgangs "festlich schnalzten".

Erschienen in der Zeitschrift "Schauenster Kultur Region", 2016