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Otto Neurath. Gipsy Urbanism in Wien nach 1920#

MAK Kunstblättersaal#


Von der Wiener Zeitung freundlicherweise zur Verfügung gestellt. (Mittwoch, 10. März 2010)

Von

Brigitte Borchhardt-Birbaumer


Der Universalist, vor allem Philosoph, Ökonom und Ausstellungsmacher Otto Neurath (1882-1945) ist zwar in Wien bekannt, aber doch viel zu wenig. Das MAK widmet dem Wissenschafter, Wohnbauaktivisten und Museumsdirektor eines "Museums der Zukunft" die Schau "Otto Neurath. Gipsy Urbanism" – leider ohne eigene Publikation. Adaptiert um einen neu gefundenen Film und andere Exponate kommt die Wiener Präsentation aus dem MAK Center in Los Angeles im Schindler House. Als Mitglied des legendären "Wiener Kreises der Philosophie" ab 1928 blieb Neurath aber nicht nur dem Formalen und der Theorie verhaftet, sein Blick war der des gesellschaftsorientierten Praktikers.

Piktogramme für Wien#

Seine mit dem Grafiker Gerd Arntz entwickelten Piktogramme stehen als bildliche Methode einer Bildstatistik zur Verfügung, die aus neuer Stadtplanung einen für alle verständlichen "Weltatlas der Zivilisation" schaffen wollte. Auch die Wirkung des Kinos, selbst in der Arbeiterschaft war ihm bewusst. Doch wurde selbst im "Roten Wien" die Architektur von Gemeindehöfen in Form von Schutzburgen seinem viel moderneren System dezentralisierter Gartenstädte vorgezogen. Erst Roland Rainer setzte hier wieder an. 1934 musste Neurath emigrieren, bis 1940 führte er in Holland, danach in England seine internationalen Dependancen des "Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums" bis zu seinem Tod 1945 weiter.

Das "Bild-Esperanto"#

Nach der Gründung des "Hauptverbands des Siedlungs- und Kleingartenwesens" 1918 übernahm der Geistes- und Naturwissenschaften mit der Kunst verbindende Team-Worker die Ideen der wilden Siedler, die sich "nach Zigeunerart" öffentliche Gründe aneigneten. Er entwickelte mit Margarete Schütte-Lihotzky und Franz Schuster Kleingartensiedlungen, um den Wohnbau mit Basisorganisation, basierend auf Tauschhandel, in den armen Zeiten zu reformieren.

Seine von der "NY-Times" als "Bild-Esperanto" noch 1933 gelobten Piktogramme der "Isotypen"-Tafeln dienten ihm als flexible Ausstellungssysteme, die er, gemeinsam mit dem Architekten Josef Frank, auch für dezentrale Räume in Fabriken und Gemeindebauten vervielfältigen ließ. So gesehen war es ein "Museum ohne Grenzen" in mehreren Gebäuden, das zu den Menschen ging. Sein früher Aufbruch in die Wissensgesellschaft und eine Vorahnung des Iconic-Turn sind mit seiner von demokratischen Prinzipien gelenkten Partizipations-Methode aktueller denn je. So hat sich schon manches Museum Neuraths Vorstellung des Museums als Katalysator eines kulturpolitischen Wandels angeeignet.


Wiener Zeitung, Mittwoch, 10. März 2010