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2.2 Bedeutung fürBiografieundWerk
Erzeugnisse ebenso abzulehnen [...] als wenn nichtarische Herkunft
vorläge“. Damit ist Lernet-Holenia bei den Nationalsozialisten aktenkun-
dig – ein Umstand, der ihn nolens volens davor bewahrte, sich weiter
inderenKulturapparat zuverstricken, als es letztendlichgeschah;ein
Umstand, der die Erstauslieferung des Mars im Widder 1941 mitver-
hinderte; einUmstandschließlich,der–unter verändertenpolitischen
Vorzeichen – bei der Entnazifizierung des nachmaligen, im sogenannten
PolenfeldzugdekoriertenundfürdieHeeresfilmstelle tätigenAutorsvon
einigemVorteilgewesenseindürfte.48 DieEinstufungals „unzuverlässig“
stand jedochnicht einer Aufnahme in dieReichsschrifttumskammer im
Wege.49
Lernetwiederumhatte schon frühaus seinerEinstellunggegenüber
demnationalsozialistischenDeutschlandkeinenHehlgemacht: InAnt-
wort auf Gottfried Benns notorische Parteinahme für die „Bewegung“
schrieb er am 27. Mai 1933 an diesen über eine „Komponente der Deut-
schen“:
Das Mongolische, in seiner reinen Form, ist identisch mit dem Hor-
denmäßigenderAwarenundTataren,mitdergrauenUniformität
ihrerReitergeschwader,mitderBlindwütigkeitundUnüberwind-
lichkeit der gleichförmigen Menge. In seiner Vermischung mit den
Slawen, sowohldenrussischenwiedenböhmischen,vorallemaber
bei den in ganz Norddeutschland germanisierten, wird es zu jenem
mongoloidenEinschlag,denwir jaallegenügsamkennen,vondem
aberniegeredetwirdundder sichvorallem imKollektivistischen
undOrganisatorischendesDeutschen[...] charakterisiert.50
48 1945 wurde Lernet-Holenia „von den Amerikanern zum Bevollmächtigten für Entnazifi-
zierungenvonSt.Wolfgangbestellt“ (Rocˇek: DieneunLeben, S.246).
49 Vgl. Sommer: Anmerkungen zu Willkür und Wohlwollen fiskalischer Organe, S.186 FN
24.Die relativhoheNummerA14.325 lege, soSommer, eineAufnahmeum1937nahe.
50 Brief im Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar, Sign. 86.9468/1, wiederge-
geben in Hübel/Müller (Hrsg.): Die Lust an der Ungleichzeitigkeit, S.51–59. Wie die
ParalleleMongolen–Deutsche imWerkLernets fortwirkt, hatThomasHübelüberzeu-
gend dargelegt. Im 1939 erschienenen Traum in Rot ist im Zusammenhang mit der
Mongolei unverbrämt die Rede vom „Land der Swastika“ (Thomas Hübel: Von der Mon-
golisierungzurModernisierung.ZueinigenAspektenvonAlexanderLernet-Holenias
AuseinandersetzungmitdemNationalsozialismus. In:ThomasEicher/BettinaGruber
[Hrsg.]:AlexanderLernet-Holenia.PoesieaufdemBoulevard.Köln–Weimar–Wien:Böhlau
1999, S. 225–235, hier S.228). In einer dialektischen Volte macht sich Lernet die rassis-
tischen Erörterungen des Antisemiten und Rassentheoretikers Jörg Lanz von Liebenfels
– ein „sonderbarer Schwärmer“, so Lernet (siehe Hübel/Müller [Hrsg.]: Die Lust an der
Ungleichzeitigkeit, S.54)–zueigen,umsiegegendieNazis zuwenden.
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik