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2 Einführung
gegengesetzte Ansicht vertritt,155 hat sich schließlich Clemens Ruthner
mitderProblematikauseinandergesetzt:
Eherals ‚Karikatur‘mag jedochderBegriff ‚Mystifizierung‘ zutref-
fen [...]. Dies legt ebenso wenig eine deutliche Sprache nahe
wie die politischen Entstehungsumstände des Romans 1939/40
(wobei fraglich ist, obPolitikundKriegzumVehikelder fantastisch-
kriminalistischen Handlung werden oder umgekehrt). Auf jeden
Fall ist z.B. der Verzicht Lernets auf eine zentrale, verbindliche
Erzählperspektive sowohl mit den Produktionsbedingungen des
Autors als auch mit den Genrekonventionen eines Kriminalplots zu
erklären.156
GeradedieProduktionsbedingungenmüssenvordemHintergrundder
Annahme, die Gruppe um Örtel, Drska und Pistohlkors im Mars im
Widderhabe imKreisumWalterundLotteStein realesVorbild, indie
Interpretationsbemühungenmit einbezogen werden:Eineallzueindeu-
tigpositiveDarstellungalsoppositionellerZirkelhättewomöglichdie
Zensurstellen auf eine Fährte gebracht, die sich sowohl für die Vorbilder
als auch für den Autor als verhängnisvoll hätte erweisen können. In
der „MehrschichtigkeitderSprache“undderMehrdeutigkeitderFigu-
ren verortet Ruthner Spuren der „verdeckten Schreibweise“ nach Erwin
Rotermund157 –mitdemHinweisdarauf,dassdiezurDechiffrierungnö-
tigeSensibilität beiden meistenLesernzum Zeitpunktdes (geplanten)
Erscheinens des Romans wohl nicht vorausgesetzt werden könne.158
LotteSwecenyundihrFreundeskreishingegenwerdendieAnspielungen
wohl verstandenhaben.
155 Mars imWidder sei „theonlynovelonAustrian resistancepublishedduring theThird
Reich“ (Dassanowsky: Phantomempires, S.11).
156 Ruthner: FataleGeschichte(n) im„Zwischenreich“, S.9.
157 Vgl.ErwinRotermund:VorüberlegungenzurPoetik,RhetorikundHermeneutikder„Ver-
deckten Schreibweise“ im „Dritten Reich“. In: Johann Holzner/Karl Müller (Hrsg.): Lite-
raturderInnerenEmigrationausÖsterreich(ImAuftragderTheodor-Kramer-Gesellschaft.
Zwischenwelt 6). Wien: Döcker 1998, S. 27–38, und Ehrke-Rotermund/Rotermund:
ZwischenreicheundGegenwelten, passim.
158 WenngleichBeersehrwohldieserAnsicht ist: „DieseSchilderung[desKrebszuges,C.D.]
ist ein literarisches Kabinettstück und hat damals unter Leuten, die zwischen den Zeilen
zu lesen verstanden, ungeheures Aufsehen erregt. Vielleicht fehlt uns heute bereits
das Organ für jene Kunst der Anspielung, die sich zu Zeiten der Diktatur entwickelt
hat.MöglicherweisewirdderLeser vonheuteauchnicht aufs ersteverstehen,daßder
Kreis um den geheimnisvollen Herrn Örtel, den Empfänger von Geheimbotschaften, aus
Österreichern bestand, denen das Dritte Reich gegen den Strich ging und die sich in
verborgenenKonventikelnorganisierten“ (Beer: Lernet imMars, S.49).
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik