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2.2 Bedeutung fürBiografieundWerk
Zensurstelle ins rechteLicht rückt. Sonst ist kaumvorstellbar, dassder
Autor,dergeradeden„Polenfeldzug“alsÜberfall auf einunvorbereite-
tesLand beschriebenund –nach weitgehenderÜbereinstimmungder
Interpreten (vgl. S.51) – mit dem Zug der Krebse eine Untergangsvision
gezeichnet hat, Ende 1941 noch siegessicher gewesen sein soll.216 Dazu
bestandauchwenigAnlass:SeitOktober1941stecktedieRusslandof-
fensive imSchlammfest,AnfangDezemberhatteeineGegenoffensive
derRotenArmeeunterGeneralSchukowdenVormarschderWehrmacht
gestoppt und das Ziel der Eroberung Moskaus zunichtegemacht. Am 16.
Dezember hatte Hitler den Haltebefehl gegeben; die deutschen Truppen
verlorenbis zumJahresende1941 immermehranBoden.
Am 4. Januar 1942 muss Lernet-Holenia dann wieder nach Berlin,
wo er rund eine Woche später zum Oberleutnant befördert wird.217
ZeitgleichmitderBeförderung tritt eineweitereVeränderungein: „Jetzt
kommt ein Herr vom Auswärtigen Amt zu mir, um mich in einer Filmsa-
che zu sprechen. Das scheint mir eine rechte pièce de resistance zu
sein“ (S.182).Wenig später fährt Lernet-Holenia indieserAngelegen-
heitnach Lübben, einem Ort südlichvon Berlin (ebd.). Dort leitete der
Filmproduzent Bruno Duday218 ein Kriegsgefangenenlager. Der ehemali-
geUFA-ProduktionsleiterwaroffenbarmitderDurchführung„eine[s]
sehr groß angelegten Film[s], an welchem allerhand wichtige Stellen
interessiert“ (S.183) waren, betraut. Unter diesen Stellen war auch das
Auswärtige Amt, das Lernet um den 11. Januar herum einen Besuch
abgestattet hatte (S.182). Die Involvierung des Auswärtigen Amtes war
deshalbnötig,weilessichumein länderübergreifendesProjekthandelte,
fürdasmansichderMitarbeitdesbekanntenitalienischenBühnenautors
GiovacchinoForzano219 versicherthatte.Derdem fascismonahestehende
Forzanohatte indenDreißigerjahrengemeinsammitkeinemGeringeren
als Benito Mussolini Theaterstücke verfasst; da war es nur naheliegend,
dassdasneueProjektnunmitdemInteressedes inzwischenzum„Du-
ce“avanciertenehemaligenSchriftstellerkollegen rechnenkonnte,dem
216 Schon glaubwürdiger ist die Siegesgewissheit Jannings’, wird der Schauspieler und
„Reichskultursenator“dochetwavonKlausMannalsOpportunist – „vonkalterSchlau-
heit und rücksichtslosem Egoismus“ (zit. nach Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten
Reich:Werwarwasvorundnach1945. Frankfurt amMain:S.Fischer2007,S.280)–
geschildert.
217 Vgl. S.182 undS.301,Anm.zu umeinenGradhöher gestiegen.
218 ZuDuday sieheS.304,Anm.zumitDuday.
219 ZuForzanosiehe 304,Anm.zu die Forzano-Sache.
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik