Seite - 133 - in Austrian Law Journal, Band 1/2015
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ALJ 1/2015 Völker- und europarechtliche Fragen des Beitritts Ăsterreichs 133
einnehmen will. Soweit sich die lediglich verfassungsrechtliche Verankerung der dauernden
NeutralitĂ€t durchsetzt, bleibt diese Entscheidung Ăsterreich vorbehalten. Es ist aber interessant,
dass von französischer Seite erklÀrt wurde, dass in Art 42 Abs 7 EUV der Verweis auf die bei der
kollektiven Selbstverteidigung einzusetzenden militÀrischen Mittel, der noch in Art 5 des WEU-
Vertrages enthalten ist, im Interesse der neutralen Staaten nicht aufgenommen wurde.35 Es sei
jedoch dahingestellt, ob dies von entscheidender Bedeutung ist, zumal der Verweis auf âalle in
ihrer Macht stehende Hilfe und UnterstĂŒtzungâ keine Ausnahme betreffend Kriegsmaterial er-
kennen lÀsst.
Wieweit die SolidaritÀtsklausel in Art 222 AEUV neutralitÀtsrelevant ist, sei ebenfalls dahingestellt;
jedoch stellt die ErklÀrung Nr 37 zum LV fest, dass es den einzelnen MS obliegt, Art und Umfang
der UnterstĂŒtzung festzulegen, sodass selbst im Fall einer NeutralitĂ€tsinkompatibilitĂ€t der Neut-
rale die UnterstĂŒtzung nach seinen NeutralitĂ€tsbefindlichkeiten ausrichten darf.
Insgesamt ist somit davon auszugehen, dass es Ăsterreich freisteht, sich innerhalb der EU neut-
ral zu verhalten, ohne gezwungen zu sein, einen entsprechenden allfÀllig neutralitÀtswidrigen
Beschluss der EU zu verhindern. Art 42 Abs 7 ist auch so konstruiert, dass der einzelne MS, nicht
jedoch die EU in ihrer Gesamtheit, die Verantwortlichkeit fĂŒr die militĂ€rischen UnterstĂŒtzungs-
maĂnahmen zu tragen hat, somit der daran nicht beteiligte Staat keine derartige Verantwortlich-
keit zu ĂŒbernehmen braucht.
2. Ăsterreichischer Staatsvertrag
Ebenso wie die NeutralitĂ€t bildete ein Spezifikum des Beitritts Ăsterreichs zur EU der österreichi-
sche Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhÀngigen und demokratischen
Ăsterreich von 195536, insbesondere das Anschlussverbot in Art 4. Das gleichwohl bestehende
mögliche Hindernis des Art 22 Z 13 ĂŒber das RĂŒckverĂ€uĂerungsverbot ehemaligen deutschen
Eigentums wie auch das Verbot des Erwerbs deutscher Flugzeuge sowie des BeschÀftigungsver-
bots von Deutschen in der Luftfahrt37 war schon vor dem Beitritt durch die ObsoleterklÀrung
hinfÀllig geworden38.
Das Anschlussverbot, demzufolge Ăsterreich sich verpflichtete, keine wie immer geartete poli-
tische und wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland einzugehen, war immer wieder insbe-
35 Art V des Vertrags ĂŒber die WesteuropĂ€ische Union lautet: âIf any of the High Contracting Parties should be the
object of an armed attack in Europe, the other High Contracting Parties will, in accordance with the provisions of
Article 51 of the Charter of the United Nations, afford the Party so attacked all the military and other aid and as-
sistance in their power.â Abrufbar unter: http://www.weu.int/ (abgefragt am 12. 3. 2015). DemgegenĂŒber lautet
Art 42 Abs 7 EUV diesbezĂŒglich: âIm Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats
schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und UnterstĂŒtzung, im Einklang mit
Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen.â
36 BGBl 1955/152.
37 Art 12â16 Staatsvertrag.
38 Siehe die Mitteilung der österreichischen Bundesregierung betreffend einige Bestimmungen des Staatsvertrags
vom 15. 5. 1955 von Wien an die vier Signatarstaaten des Staatsvertrags, in BMaA (Hrsg), Ăsterreichische AuĂen-
politische Dokumentation. Texte und Dokumente (Dezember 1990) 28; weiters Hecht/Muzak, Zur Geltung der fĂŒr
obsolet erklÀrten Bestimmungen des Staatsvertrags von Wien, JBl 1994/11, 720; Köck, Ist der österreichische
Staatsvertrag âobsoletâ? GrundsĂ€tzliche Ăberlegungen zu Vertragserrichtung und Vertragsendigung nach Völker-
recht, ZĂR 1996/50, 75; Rotter, The Austrian State Treaty â or What is Left of It, in Benedek/Isak/Kicker (Hrsg), De-
velopment and Developing International and European Law (1999), 725; Ermacora, Die ObsoleterklÀrung von
Bestimmungen des österreichischen Staatsvertrags 1955, AJPIL 1991/42, 319; Hafner, âLâobsolescenceâ de certai-
nes dispositions du traitĂ© dâEtat Autrichien de 1955, Annuaire Français de Droit International 1991/37, 239.
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Austrian Law Journal
Band 1/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2015
- Autor
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 188
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal