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ALJ 1/2015 Völker- und europarechtliche Fragen des Beitritts Österreichs 141
weswegen bei dessen Zulassung in den Fächern Human- und Zahnmedizin 75 % der Studien-
plätze an den drei Medizinischen Universitäten Graz, Innsbruck und Wien für Inhaber österrei-
chischer Reifeprüfungszeugnisse, 20 % für EU-Bürger und fünf Prozent für Nicht-EU-Bürger
reserviert wurden.87 Die Kommission akzeptierte diese Regelung unter dem Vorbehalt, dass bis
Dezember 2016 entsprechend belegt werde, dass anderenfalls eine Gefährdung der ärztlichen
Versorgung damit verbunden sei.88 Der EuGH bestätigte schließlich in seiner Entscheidung
Bressol 89, dass auf das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit Rücksicht zu nehmen ist.
Dieses Problem resultiert auch aus noch fehlender Harmonisierung der rechtlichen Systeme
der EU-MS; insoweit hat der bekannte Spill-over-Effekt noch nicht gegriffen.
III. Schlussfolgerungen
Die genannten Beispiele illustrieren, dass der Beitritt und die Zugehörigkeit Österreichs zur EU
nicht friktionsfrei vonstattengingen und gehen. Probleme ergaben sich einerseits aus der beson-
deren geografischen Situation Österreichs (alpenquerender Transit), andererseits aus der beson-
deren politischen Stellung (Neutralität, Atompolitik, Südtirol) oder rechtlichen Position (Hoch-
schulzugang) Österreichs.
Zur Bewältigung dieser Friktionen bestanden unterschiedliche Alternativen: Entweder konnte
-‐ Österreich darauf aufbauen, dass der betreffende Bereich nicht in den Kompetenzbe-
reich der Union falle, oder
-‐ versuchen, eine besondere Position innerhalb der Union zu erlangen, oder
-‐ musste schließlich der Union nachgeben.
Gleichzeitig ist auch zu beachten, dass Österreich beim Beitritt einem gegebenen Rechtssystem
ausgesetzt war, das es nicht mehr verändern konnte, während es in den weiteren Vertragsän-
derungen bis hin zum LV bereits an der Vertragsgestaltung beteiligt war und somit schon dort
seine Interessen einbringen konnte. Das beste Beispiel dafür ist die irische Klausel in Art 42
Abs 7 EUV.90
Im Bereich der Außenpolitik gelang es, insbesondere mithilfe der irischen Klausel, die Möglich-
keit zur Wahrung der eigenen Position zu erlangen, darüber hinaus auch teilweise im Bereich
des Hochschulzugangs wie auch des Transits. Dagegen musste es aufgrund der Urteile des
EuGH im Bereich der auswärtigen Beziehungen seine eigene Position revidieren und entspre-
chende Anpassungen vornehmen.
Eine eigene Position zu verfolgen oder gar durchzusetzen, fällt dann leichter, wenn es gelingt,
Koalitionen zu bilden; wie zB beim Hochschulzugang mit Belgien, das sich in einer Österreich
vergleichbaren Lage befindet.
Den Erfolgsaussichten einer eigenen Politik ist durch den Gerichtshof eine Grenze gesetzt, da
sich dieser nach dem Unionsrecht zu richten hat. Jedoch zeigte sich, dass Österreich selbst
dort, wo ein gerichtliches Verfahren droht oder sogar schon eingeleitet wurde, die eigene Posi-
87 Siehe https://www.i-med.ac.at/mypoint/news/668733.html (abgefragt am 13. 3. 2015).
88 Siehe http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-1388_de.htm (abgefragt am 13. 3. 2015).
89 EuGH 13. 4. 2010, C-73/08, Bressol.
90 Siehe oben.
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Austrian Law Journal
Band 1/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 188
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal