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ALJ 1/2017 Rechtsschutz gegen Akte der Kriminalpolizei 11
C. Die Konsequenzen für den Rechtsschutz
Es konnte gezeigt werden, dass Sicherheitsbehörden und Sicherheitsorgane in keinem Fall,37 insb
nicht im Fall der Ausführung staatsanwaltschaftlicher Anordnungen, als Hilfsorgane der Staats-
anwaltschaft tätig werden. Vielmehr ist die Sicherheitsbehörde der Zurechnungsendpunkt aller
kriminalpolizeilichen Akte.
Ein Problem der Abgrenzung der Rechtsschutzwege, das mit dem vor der StPO-Reform 2008
bestehenden vergleichbar wäre, kann demzufolge nicht vorliegen: Die Sicherheitsbehörde ist
eine Verwaltungsbehörde, und alle von ihr oder in ihrem Namen gesetzten Akte sind Verwal-
tungsakte. Dagegen sind also die allgemein gegen Verwaltungsakte offenstehenden Rechtsbehelfe
zu ergreifen (insb die Beschwerde an das Verwaltungsgericht). Nach der Teilaufhebung des § 106
Abs 1 StPO werden diese Rechtsbehelfe nicht mehr vom Einspruch an das Landesgericht ver-
drängt.
Der Einspruch an das Landesgericht steht hingegen ausschließlich gegen Akte der Staatsanwalt-
schaft offen. Ob ein kriminalpolizeilicher Akt auf einer Anordnung der Staatsanwaltschaft beruht,
ist irrelevant. Auch gegen einen solchen kriminalpolizeilichen Akt steht der Einspruch an das
Landesgericht nicht offen.
Wie die hL und Rsp zu einem anderen, unzutreffenden Ergebnis kamen, wird im folgenden Kapi-
tel gezeigt. Schließlich wird noch zu zeigen sein, dass die hier vertretene Ansicht der Überprüfung
anhand zweier einschlägiger Verfassungsgrundsätze standhält, und dass sie sich auch bewährt,
wenn es zu einem Nebeneinander von Rechtsschutzverfahren vor dem Strafgericht und dem
Verwaltungsgericht kommt.
IV. Die unrichtige Basis der hM: Die Lehre von den „abgeleiteten
richterlichen Akten“ bzw der „funktionellen Zurechnung“
(„Zurechnung kraft Auftrags“)
A. Grundlagen
Die hM, wonach auf Anordnung der Staatsanwaltschaft gesetzte Akte der Kriminalpolizei der
Justiz zuzurechnen und Rechtsschutz dagegen nach § 106 StPO zu suchen sei, erscheint im Lichte
der oben angestellten Überlegungen als unzutreffende Fortschreibung der Rsp zum strafrechtli-
chen Ermittlungsverfahren vor der StPO-Reform 2008. Die unzutreffende Fortschreibung scheint
darauf zu beruhen, dass die veränderte Rollenverteilung im reformierten strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren nicht beachtet wurde; was für das Verhältnis zwischen Untersuchungsrichter und
Sicherheitsorganen galt, scheint zu Unrecht auf das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und
Sicherheitsbehörden sowie -organen übertragen worden zu sein. Es wird gezeigt werden, dass
diese Annahmen im Wesentlichen zutreffen, allerdings liegen die Dinge komplizierter.
Einer Aufarbeitung bedarf die Lehre von der „funktionellen Zurechnung“ bzw der „abgeleiteten
richterlichen Akte“. Neben dem Handeln der Organe, bei denen sich nachweisen lässt, dass sie der
Gesetzgeber grundsätzlich als Justizorgane einrichten wollte (Gerichte, Staatsanwaltschaften,
Richter, Rechtspfleger etc) rechnen Lehre und Rsp auch das Handeln bestimmter anderer Organe
37 Außer möglicherweise im theoretischen Fall der Amtshilfe für die Staatsanwaltschaft gem § 76 Abs 1 StPO (siehe
FN 33).
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Austrian Law Journal
Band 1/2017
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2017
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 56
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal