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ALJ 1/2017 Reinhard Jantscher 12
der Justiz zu, nämlich wenn sie als „verlängerter Arm“38 der Justiz in deren Auftrag tätig werden.39
Ebenso rechnete der VfGH in einem Fall das Handeln von Verwaltungsorganen im Auftrag eines
Organs der Gesetzgebung dieser zu.40 Selbst die Zurechnung des Handelns von Justizorganen zur
Verwaltung in vergleichbaren Fällen wird diskutiert.41 Der zugrunde liegende Gedanke wurde
vom VfGH in folgendem Rechtssatz am deutlichsten ausgesprochen: „Werden Organe einer Staats-
funktion im Auftrag einer anderen tätig, werden sie nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsge-
richtshofes jener Staatsfunktion zugerechnet, in deren Auftrag sie handeln.“42 Im Folgenden wird an-
gelehnt an die Formulierung in diesem Rechtssatz – und abweichend von den weniger treffenden
Begriffen der Lehre und Rsp – von der „Zurechnung kraft Auftrags“ gesprochen.43
Es ist zu prüfen, inwieweit der Rechtssatz von der Zurechnung kraft Auftrags die hM zur Abgren-
zung der Rechtsschutzwege im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stützen kann. Diese Prü-
fung setzt die Klärung der genauen Bedeutung des Rechtssatzes sowie der Frage, ob der Rechts-
satz tatsächlich zutrifft, voraus.
Der Rechtssatz enthält ausdrücklich nur eine Aussage über die Zurechnung von Staatsorganen zu
den Staatsgewalten. Damit wirft der Rechtssatz die Frage auf, welche Folgen diese Zurechnung
von Staatsorganen für die Zurechnung von Staatsakten hat. Im Zusammenhang der zitierten
Erkenntnisse ging es um die Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde gegen bestimmte Staats-
akte. Entscheidend für die Zulässigkeit war die Zurechnung der angefochtenen Akte zur Staats-
gewalt Verwaltung. Der VfGH folgerte aus der Zurechnung der handelnden Organe zu einer be-
stimmten Staatsgewalt ohne weiteres die Zurechnung der fraglichen Staatsakte zur selben
Staatsgewalt. Stellt man die Zurechnung von Staatsakten in den Vordergrund, kann der Rechts-
satz daher wie folgt formuliert werden: Staatsakte werden jener Staatsfunktion zugerechnet, in
deren Auftrag sie gesetzt werden.
Damit gerät der Rechtssatz in Konflikt mit der sonst allgemein vertretenen Ansicht, demzufolge
ein Akt jener Staatsgewalt zuzurechnen ist, deren Organe den Akt setzen.44 Nach dieser Ansicht
muss für die Zurechnung eines Aktes zu einer Staatsgewalt geprüft werden, welches Organ den
Akt setzt; offen ist bei dieser Formulierung der Ansicht nur, ob das Organ, das den Akt tatsächlich
setzt (uU ein Hilfsorgan) oder das Organ, dem der Akt (letztendlich) zugerechnet wird (also die
Behörde) gemeint ist. Für den Ansatz beim Organ, das einen Auftrag zur Setzung des Aktes er-
38 So Funk, Die „Anwendung (verwaltungs)behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt“ im Lichte neuerer Rechtspre-
chung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, in FS Hellbling (1981) 175 (185) und Adamovich/Funk/Holzinger,
Österreichisches Staatsrecht II. Staatliche Organisation (1998) Rz 26.018 (in der 2. Auflage dieses Werkes [2013]
von Adamovich/Funk/Holzinger/Frank wurden diese Ausführungen allerdings gestrichen).
39 Vgl Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht³ (1996) 17 f; B. Raschauer, Verwaltungsrecht4 Rz 205, 962;
Jabloner, ÖJZ 1978, 533 ff uva.
40 VfSlg 18406/2008.
41 Martin/Rohregger in Korinek/Holoubek et al., B-VG Art 146 Rz 30 (1. Lfg 1999); Wiederin in Österreichische Juristen-
kommission 49 f.
42 VfSlg 18366/2008; 18406/2008.
43 Siehe dazu ausführlich Jantscher, Die Zurechnung von Staatsakten zu den Staatsgewalten (in Druck) 41 ff.
44 Antoniolli/Koja, Verwaltungsrecht³, 6 schreiben zB „Verwaltung ist jener Teil der Staatstätigkeit, der durch Verwal-
tungsorgane besorgt wird“, und an anderer Stelle (aaO 20) „… Verwaltung ist der Tätigkeitsbereich der weisungsge-
bundenen Staatsorgane“; Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Staatsrecht II² Rz 26.022 lassen eine Aufzählung mit
dem Satz „Folgende Rechtsträger und Organe üben Tätigkeiten der Verwaltung aus: …“ beginnen; Walter, Verfassung
und Gerichtsbarkeit (1960) 42 schreibt: „Gerichtsbarkeit ist Vollziehung durch Richter, Mitwirkende aus dem Volke
und die den Richtern in ihrer richterlichen Eigenschaft untergeordneten Organe“ (bis hierher jeweils Hervorhebungen
des Autors); Thienel in GS Walter 823 schreibt: „Zur Staatsfunktion ‚Gerichtsbarkeit‘ zählen […] all jene Handlungen,
die von einer nach der Verfassung als Gerichtsorgan qualifizierten Einrichtung gesetzt werden.“
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Austrian Law Journal
Band 1/2017
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2017
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 56
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal