Seite - 26 - in Austrian Law Journal, Band 1/2021
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ALJ 2021 Lindenbauer 26
publizitätslosen Eigentumsvorbehaltes zeige. Dies stehe der Verhältnismäßigkeit einer
Nichtanerkennung ausländischer publizitätsloser Mobiliarsicherheiten entgegen.9
Intensivere Untersuchungen dazu sind jedoch gerade in jüngerer Zeit nicht ersichtlich – erst
Recht nicht unter genauer Beachtung der Rechtsprechung des EuGH zum Kohärenzgebot.10
Tatsächlich betont der Gerichtshof jüngst vermehrt, dass eine restriktive Maßnahme nur
dann als verhältnismäßig betrachtet werden kann, wenn sie die vorgegebenen Ziele „in
kohärenter und systematischer Weise“ verfolgt.11 Unklar ist jedoch, welche Bedeutung die
vom EuGH entwickelten Kriterien im Zusammenhang mit der Rechtfertigung einer
Nichtanerkennung von ausländischen Mobiliarsicherheiten in Österreich haben. Genau
darauf soll der Fokus der nun folgenden Untersuchung liegen: Ziel ist es zu klären, ob die
österreichische Rechtslage im Bereich der Mobiliarsicherheiten, welche grundsätzlich ein
strenges Faustpfandprinzip verwirklichen soll, tatsächlich als inkohärent iSd einschlägigen
EuGH Judikatur zu betrachten ist und die Nichtanerkennung von ausländischen
publizitätslosen Mobiliarsicherheiten somit schon deshalb gegen die Grundfreiheiten
verstoßen würde.
II. Eingriff in den Schutzbereich der Grundfreiheiten
Bei der konkreten Prüfung der Konformität einer nationalen Maßnahme mit den
Grundfreiheiten ist zunächst die Frage zu untersuchen, ob die betreffende Regelung
überhaupt einen Eingriff in den Schutzbereich der Grundfreiheiten darstellt. Dies erfordert
einerseits einen grenzüberschreitenden Aspekt und andererseits die Annahme einer
Beeinträchtigung der Grundfreiheiten. Dass der Gerichtshof recht schnell vom Vorliegen
eines Eingriffes in den Schutzbereich ausgeht,12 liegt zum einen daran, dass die
Anforderungen für das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes stetig gesenkt
wurden13 und zum anderen daran, dass das Beschränkungsverbot im Hinblick auf sämtliche
Grundfreiheiten sehr weit gefasst ist. Nationale Maßnahmen dürfen die Ausübung der
Grundfreiheiten grundsätzlich nicht „verhindern, behindern, erschweren oder auch nur
weniger attraktiv machen“.14 Zwischen den Grundfreiheiten bestehen hier keine
tiefergehenden systematischen Unterschiede, auch wenn der EuGH teilweise verschiedene
9 Siehe nur Schacherreiter, ZfRV 2005, 183; Czernich, Internationales Kreditsicherungsrecht im Geschäftsverkehr der Banken,
ÖBA 2000, 1067 (1073); Berner, Wohlerworbene Rechte im europäischen Kreditsicherungsrecht, in Behme/Fervers et al
(Hrsg), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2016 (2017) 352 ff; Lurger/Melcher, Handbuch Internationales Privatrecht
(2017) Rz 6/22; Roth, Secured Credit and the Internal Market: The Fundamental Freedoms and the EU´s Mandate for
Legislation, in Eidenmüller/Kieninger (Hrsg), The Future of Secured Credit in Europe (2008) 36 (57). Siehe nunmehr auch
Lurger, IPRax 2019, 563. Für weitere kritische Stimmen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit vgl das Literaturreferat in
OGH 3 Ob 249/18s.
10 Siehe auch Faber, ÖBA 2019, 408.
11 Vgl zB EuGH 21.5.2019, C-235/17, Kommission/Ungarn, Rn 61; EuGH 14.11.2018, C-342/17, Memoria und Dall'Antonia,
Rn 52; EuGH 20.12.2017, C-322/16, Global Starnet, Rn 51; EuGH 10.3.2016, C-235/14, Safe Interenvios, Rn 104;
EuGH 15.10.2015, C-168/14, Grupo Itevelesa, Rn 76. Siehe auch Klamert, EU-Recht2 (2018) Rz 660.
12 Trstenjak/Beysen, Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in der Unionsrechtsordnung, EuR 2012, 275.
13 Lippert, Der grenzüberschreitende Sachverhalt im Unionsrecht (2013) 198 ff; Ehlers, Allgemeine Lehren der Grundfreiheiten,
in Ehlers (Hrsg), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten4 (2014) § 7 Rz 25. Das Vorliegen eines
grenzüberschreitenden Elements wird grundsätzlich schon dann angenommen, wenn Auswirkungen auf den europäischen
Binnenmarkt nicht auszuschließen sind. Vgl zB EuGH 13.2.2014, C-367/12, Sokoll-Seebacher, Rn 10 f; EuGH 15.10.2015,
C-168/14, Grupo Itevelesa, Rn 35 f.
14 Klamert, EU-Recht2 Rz 640 mwN. Vgl auch EuGH 14.11.2018, C-342/17, Memoria und Dall'Antonia, Rn 52; EuGH 10.3.2016,
C-235/14, Safe Interenvios, Rn 98.
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal